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„AltersUnit“ soll Behandlung kranker Senioren verbessern

Der demografische Wandel macht sich auch in der Notaufnahme von Krankenhäusern bemerkbar – der Anteil betagter Patienten steigt. Das Klinikum Frankfurt (Oder), ein Unternehmen der Rhön-Klinikum AG, bieten ihnen eine besondere Betreuung durch einen Geriatrie-Fachmanager. Eine AltersUnit wurde direkt an die Notaufnahme gekoppelt.

- Ein besonders gestalteter Empfangsraum in der Notaufnahme für die älteren Patienten, mit denen ein Geriatrie-Screening durchgeführt wird.Foto: Ausschnitt aus dem Info-Video der Alters-Unit

Die Zentrale Notaufnahme des Klinikums in Frankfurt (Oder) wird jährlich von 32.000 Patienten aufgesucht. Mehr als
30 Prozent von ihnen sind 70 Jahre und älter. Von diesen sind viele geriatrisch behandlungsbedürftige Patienten, die auch einen Anspruch auf adäquate, altersgerechte Behandlung ab dem ersten Tag haben. Gerade diese Patienten profitieren von der Vielzahl der im Klinikum vorhandenen Fachbereiche.

Die Patienten empfängt ein großes helles Zimmer mit weich gepolsterten Krankenstühlen. Zwei Betten zum Ausruhen stehen bereit, ein Fernseher und eine Musikanlage sorgen bei Bedarf für Unterhaltung. Die farbigen Wänden sind großflächig mit Blumen und Vögeln gestaltet, eine riesige Uhr leistet Orientierungshilfe. So sieht die Notaufnahme des Klinikums Frankfurt
(Oder) zur speziellen Betreuung älterer Patienten aus, auch "AltersUnit" genannt.
In dieser Umgebung kümmert sich der Geriatrie-Manager in der Notaufnahme, der einstige Rettungssanitäter André Schreyer, gezielt um Neuankömmlinge. Die Idee dafür hatte die Chefärztin der Notaufnahme im Klinikum Frankfurt (Oder), Petra Wilke.
Die Senioren hätten einen ganz anderen Versorgungsbedarf als übliche Patienten. "Teilweise sind sie dement oder aber akut verwirrt, können sich nicht konkret zu ihren Beschwerden äußern, haben aber Symptome, die auf eine Vielzahl von Erkrankungen hindeuten." Die Mediziner suchten dann "die Nadel im Heuhaufen" und das koste Zeit. Schreyers Aufgabe ist es deshalb, anhand eines computergestützten, geriatrischen Screening-Systems eine erste Einschätzung zu geben.
"Er beobachtet genau, unterhält sich mit ihnen, baut Vertrauen auf und nimmt so manchem auch die Angst", erzählt Wilke, die ihrem Mitarbeiter eine hohe Empathie im Umgang mit den Senioren bescheinigt. Oftmals müsse Schreyer auch mit Angehörigen oder Pflegeeinrichtungen telefonieren, um mehr über die medizinische Vorgeschichte des Patienten zu erfahren. Außerdem begleitet er die zumeist in der Bewegung beeinträchtigten Patienten zur Toilette, zum Röntgen oder in andere Untersuchungsräume.
Im Flur vor dem Senioren-Raum gibt es einen mit Sensoren ausgestatteten Spezialbelag, mit dem das Gangbild des Patienten analysiert wird, das ebenfalls Aufschluss über mögliche Erkrankungen geben kann. Schreyer beurteilt obendrein den geriatrischen Versorgungsbedarf Betroffener und vermittelt sie dafür notfalls in andere Einrichtungen, da das Frankfurter Klinikum bisher keine eigene Abteilung für Altersmedizin hat.
Schreyers Stelle als Geriatrie-Fachmanager wurde zusätzlich geschaffen. Sie und die AltersUnit wurden zwei Jahre lang aus Projektmitteln der Rhön-Klinikum AG finanziert, zu der das Frankfurter Klinikum gehört. Nach dem Auslaufen des Projekts trägt die Krankenhausleitung die Kosten. Wegen des großen Zuspruchs sei entschieden worden, die spezielle Notaufnahme für Senioren im Klinikum fest zu etablieren, sagt Geschäftsführer Mirko Papenfuß.
Eine spezielle Betreuung von meist an mehreren Erkrankungen leidenden Senioren gebe es inzwischen bundesweit auch an anderen Kliniken – meist in den geriatrischen Abteilungen, sagt Rike Stähler, Sprecherin der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). "Das Besondere im Frankfurter Klinikum ist, dass die AltersUnit direkt an die Notaufnahme gekoppelt wurde."
Die  Identifikation von Patienten mit einem hohen Risiko (z.B. Sturzrisiko, delirante Symptome) steht dabei an zentraler Stelle. Ziel des Projektes der Alters Unit ist es, diese Patienten bereits bei der Aufnahme durch spezielle Untersuchungsmethoden, ein geriatrisches Assessment, zu erkennen und individuelle und zielgerichtet zu behandeln. Gezielte Fragestellungen und Tests  umfassen solche  Bereiche  wie  Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Merkfähigkeit und Emotion.
Oft werden Patienten mit akuten Verwirrtheitszuständen fälschlich als dement eingestuft, zu Grunde liegt jedoch ein Delir, welches Ausdruck  anderer zugrundeliegender schwerer Akuterkrankungen sein kann. Das "Nicht Erkennen" dieser Hochrisikogruppe geht mit verlängertem Krankenhausaufenthalt, Verlust der Alltagsfunktionalität bis hin zur Pflegebedürftigkeit und erhöhter Mortalität einher.
Sensibilisierung und Schulung des Personals hinsichtlich der speziellen altersmedizinischen Besonderheiten, ein schnelles standardisiertes, gezieltes Erfassen psychologischer und anderer geriatrischer Merkmale soll den Patienten in die richtige Versorgungsstufe leiten und im weiteren Verlauf die oft beobachtete Pflegebedürftigkeit nach Krankenhausaufenthalten vermeiden. So kann bereits jetzt in der Notaufnahme der Sozialdienst und die logopädische Abteilung hinzugezogen und somit sowohl Behandlungen als auch Anschlussversorgen zeitnah in die Wege geleitet werden.

Ebenfalls ein spezielles Screening für Patienten ab 70 verwendet die Klinik für Altersmedizin im Kreiskrankenhaus Prenzlau (Uckermark). "Das wird auch schon in der Rettungsstelle eingesetzt, um Auffälligkeiten zu entdecken und die medizinische Weiterbetreuung einzuleiten", berichtet Chefarzt Oliver Günter.
Timo Schöpke, Direktor des Notfallzentrums am Eberswalder Forßmann-Krankenhaus (Barnim), plädiert hingegen dafür, betagte Patienten so kurz wie möglich in der Rettungsstelle zu versorgen. Stattdessen sollten sie schnellstmöglich in ruhige stationäre Bereiche gebracht werden. "Bei Bedarf kommen die Fachärzte der Geriatrie direkt zu uns."
Statt einzelner Insellösungen müssten Versorgungsstrukturen für ältere Patienten entwickelt werden, an deren Finanzierung sich auch die Krankenkassen beteiligen sollten, fordert die Frankfurter Notfallärztin Wilke. Sie hofft, dass das Frankfurter Beispiel Schule macht.
(dpa/CI)