Politik
An der Charité wird wieder gestreikt
An der Berliner Universitätsklinik Charité hat ein mehrtägiger Streik des Pflegepersonals begonnen. Der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, hatte zunächst angekündigt, wegen des Streiks geplante Operationen zu verschieben. Betroffen seien alle Standorte des Klinikums. Die Stationen sollten dünner besetzt sein, müssten aber nicht geschlossen werden, hieß es.

Verdi warf der Klinikleitung vor, dass keine Notdienstvereinbarung abgeschlossen worden sei, wie sonst im Fall solcher Ausstände üblich. Sie versuche auf diese Weise, den Streik zu behindern. Verdi forderte den Arbeitgeber auf, die Situation nicht eskalieren zu lassen.
Hintergrund des Streiks ist der 2016 abgeschlossene Tarifvertrag, der einen Personalzuwachs und Mindestbesetzungen auf Stationen vorsah – ein Unikum in Deutschland. Beobachter hatten den Abschluss als modellhaft gewertet, da Pfleger an Kliniken bundesweit über Überlastung und Personalmangel klagen. Verdi hat den Vertrag jedoch wegen Mängeln bei der Umsetzung auslaufen lassen und drängt auf eine Weiterentwicklung.
Die Charité schließt Frei zufolge aus festzuschreiben, dass Mindestbesetzungen pro Schicht auch eingeklagt werden können. Diese Verdi-Forderung zielt darauf ab, dass die Klinik bei bekannter Unterbesetzung zum Beispiel weniger Betten belegen darf. Die Patientenzahlen stiegen zuletzt, weil die Charité schwarze Zahlen schreiben soll.
Die Klinik hält die Verdi-Forderung für nicht praktikabel – auch weil dafür ein Puffer von 300 Pflegern extra vorgehalten werden müsse. Frei betont vielmehr, die Weichen in die richtige Richtung gestellt zu haben. Man habe deutlich Personal aufgebaut und arbeite kontinuierlich daran, offene Stellen zu besetzen. In gut 270 Fällen sei das seit Juli 2014 bereits gelungen. Auf Normalstationen fehlten noch 80 Kräfte, im Intensivbereich 50. Inzwischen ist den Angaben zufolge etwa bei Nachtschichten aber kein Pfleger mehr allein für eine Station zuständig.
Die Pflegedirektorin Judith Heepe betonte, es seien mehrere Maßnahmen zur Rekrutierung von Personal auf den Weg gebracht worden. Man versuche auch, Kräfte aus dem Ausland anzuwerben. Ebenso sollen Geflüchtete für den Beruf gewonnen werden und Krankenpflegehelfer im Alltag für Entlastung sorgen. Selbst bei der Wohnungssuche leiste die Klinik Unterstützung.
"Was die Verbesserung der Arbeits- und Versorgungsbedingungen in Krankenhäusern angeht, ist diese Wahlperiode eine verlorene. Im Kampf gegen Personalmangel und Pflegenotstand brauchen wir dringend eine gesetzliche Personalbemessung. Dem haben sich CDU und CSU aber die gesamte Legislaturperiode über konsequent verweigert, der SPD war das Thema offensichtlich nicht wichtig genug, um sich durchzusetzen. Die im Juni hektisch beschlossenen Personaluntergrenzen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel nun auf den letzten Metern des Wahlkampfs ankündigt, die Personalschlüssel verbessern zu wollen, ist das an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten", kommentiert Harald Weinberg, krankenhauspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.
Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ingrid Fischbach, hat Verständnis für die Unzufriedenheit des Pflegepersonals an der Berliner Charité geäußert. Die CDU-Politikerin sagte im rbb-Inforadio, es müsse alles getan werden, um die Situation an den Kliniken zu verbessern. Die Politik sei deshalb weiter in der Pflicht, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. "Wir haben schon beim ersten Streik im Jahr 2015 gemerkt, dass es Defizite im Bereich der Pflege gibt und dass wir dringend etwas tun müssen. Wenn die Umsetzung der Maßnahmen noch nicht so erfolgt ist, wie sie erfolgen sollte, dann kann ich verstehen, dass das Pflegepersonal ungeduldig ist", erklärte Fischbach. Sie verlangte außerdem einen Paradigmenwechsel. "Das Pflegepersonal ist genauso wichtig und muss genauso gut und fair behandelt werden, wie zum Beispiel die Ärzte", so die Patientenbeauftragte.
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