Politik
Baehrens SPD: „Die Pflegebranche braucht mutige Reformen!“
Trotz der sogenannten Pflegstärkungsgesetze seien mutige Reformanstrengungen für die Pflege erforderlich, meint Heike Baehrens, Gesundheitspolitikerin der SPD-Bundestagsfraktion, und wirft schon einen pflegepolitischen Blick in die nächste Legislaturperiode. Baehrens war bis 2013 Vorstandsmitglied im Diakonischen Werk Württemberg und diskutiert heute bei der Fachkonferenz "Tag der Pflegereform" in Berlin über Strukturreformen der Pflegeversicherung.

In einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau" schreibt Heike Baehrens (Auszüge): "Der hektische Arbeitsalltag der Pflegekräfte trifft auf Menschen im Entschleunigungsmodus, auf Menschen, für die Ruhe und Sicherheit immer wichtiger werden. Zuhören, menschliche Nähe, sich dem oder der Einzelnen zuwenden zu können – dafür brauchen Pflegekräfte mehr Zeit. … Pflegekräfte sind Leidtragende des Zeitmangels. Sie erfahren zunehmende Entfremdung von ihrer täglichen Arbeit. Es fällt ihnen schwer, ihren Arbeitsalltag mit ihrem Verständnis von einer würdevollen Pflege in Einklang zu bringen. Darum ist es so wichtig, die Personalschlüssel in der Pflege zu verbessern.
Pflegefachkräfte mit ihrer umfassenden Methoden- und Fachkompetenz brauchen Gestaltungsspielräume jenseits standardisierter Abläufe. Sie brauchen Vertrauen in ihre verantwortungsvolle Arbeit. Deshalb muss die vielfach überbordende Bürokratie und Regulierung auf das unbedingt Notwendige reduziert und der Qualitätsentwicklung mehr Raum gegeben werden.
Seit Jahren zeichnet sich ein Fachkräftemangel in der Pflege ab. Man geht von rund 200 000 fehlenden Pflegekräften im Jahr 2030 aus. Trotz der hohen Nachfrage nach Pflegekräften steigen die Löhne hier unterdurchschnittlich. Und trotz gleichen Ausbildungsniveaus verdienen Fachkräfte in der Altenpflege rund ein Fünftel weniger als in der Krankenpflege. Zudem variiert die Bezahlung regional.
Um die Gehaltsunterschiede zu beseitigen, braucht es mehr Mut, neue Wege zu beschreiten: Der geplante einheitliche Berufsabschluss ist ein notwendiger Schritt. Ein weiterer wäre ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag. Dass ein solcher Vertrag an den heutigen oberen Pflege-Tarifgehältern aufsetzen muss, sollte angesichts der anspruchsvollen Tätigkeit und der Nachwuchssorgen selbstverständlich sein.
Sollten wir nicht gerade in der Pflege so mutig sein, eine 35-Stunden-Woche zu fordern? Das ließe ganz andere Schichtmodelle zu in einem Arbeitsfeld, das 365 Tage im Jahr rund um die Uhr beackert werden muss. Das würde mit Sicherheit auch viele Teilzeitkräfte ermuntern, auf Vollzeit umzusteigen.
Um die Pflege nach vorne zu bringen, müssen die in der Pflege Tätigen selbstbewusster auftreten und Verbündete für ihre Belange suchen. Und Politik muss für eine bessere Vertretung von Pflegeexperten in den Entscheidungsgremien auf allen Ebenen sorgen.
Auch bei der Finanzierung öffnen sich neue Perspektiven, wenn man sich traut, das Gewohnte zu verlassen. Die Umgestaltung der Pflegeversicherung zur Pflegebürgerversicherung schafft nicht nur einen Solidarausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung, sondern eröffnet neue Optionen. Zudem stärken gut bezahlte und in Vollzeit tätige Pflegekräfte unser Sozialversicherungssystem. Und wer wäre nicht bereit, sogar etwas mehr in die Pflegeversicherung zu bezahlen, um mehr Menschlichkeit in der Pflege zu erreichen."
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