Politik
BKSB hinterfragt maschinelle Lösungen des Fachkräftemangels
Auf dem 16. Bundeskongress des BKSB – Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen e.V. in Esslingen am Neckar diskutierten Referenten und Teilnehmer Mitte November über die Auswirkungen der Digitalisierung in der Pflege. Vor 70 Geschäftsführern und Betriebsleitern von kommunalen Pflegeeinrichtungen betonte Otto B. Ludorff, Verbandsvorsitzender und Geschäftsführer der Sozial-Betriebe-Köln gem. GmbH in seiner Eingangsrede, dass die Digitalisierung kein Selbstzweck sei.

"Der rasante technologische Fortschritt im Hard- und Softwarebereich von der Datenbanktechnik über die künstliche Intelligenz bis hin zu den Sensoren im Miniaturformat und den Apps auf den Tablets der Beschäftigten erfasst sämtliche Wirtschaftsbereiche, so auch die Senioreneinrichtungen. Während der Steuerungs- und Verwaltungsbereich eines Pflegeunternehmens aber bereits einen hohen Digitalisierungsgrad aufweist und durchaus mit anderen Dienstleistungsbranchen vergleichbar ist, so vollzieht sich der eigentliche Pflegealltag weitgehend in traditioneller menschlicher Form. Können und wollen wir daran etwas ändern und kann der personelle Fachkräftemangel maschinell gelöst werden?", so Ludorff.
Zur Beantwortung dieser Fragen hatte der BKSB Experten aus Wissenschaft, Technik, Beratung und Pflegepraxis geladen, um die Chancen aber auch die Grenzen der Digitalisierung für die Pflege herauszuarbeiten. Prof. Dr. Helmut Kreidenweis (Arbeitsstelle für Sozialinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt) und Christoph Naucke (Rödl & Partner Nürnberg) stellten die Chancen der Digitalisierung und die Notwendigkeit einer Digitalisierungsstrategie in den Fokus ihrer Ausführungen. Sowohl im Bereich des Kundenzugangs durch web-Plattformen, wie auch durch smarte digitale Produkte bis hin zu Service-Robotern auf den Stationen würde der digitale Wandel Potenziale eröffnen, die es auszunutzen gelte, um konkurrenzfähig zu bleiben.
BKSB-Mitglieder stellten anschließend eigene Projekte vor, die sich bereits in der Umsetzungsphase befinden: Projektleiterin Susanne Wallrafen erweiterte den Verantwortungsbereich der Senioreneinrichtung auf das umliegende Quartier und beschrieb das Projekt "UrbanLife" unter Mitwirkung der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach GmbH. Methoden der Mensch-Technik-Interaktion sollen die soziale und kulturelle Teilhabe älterer Menschen in ihrem Viertel fördern. Dabei werden Straßenlaternen, Ampeln, Hinweisschilder etc. durch flexible Ausrichtung
von Helligkeit, verlängerte Grünphasen und Leitsysteme in "smarte" städtebauliche Objekte überführt.
Prof. Dr. Holger Zinn (Marketing- und Unternehmensberatung Wiesbaden) hob anschließend die Wichtigkeit von interaktiven Mitarbeiterschulungen hervor und stellte mit "eCampus Healthcare" eine E-Learning Plattform für die Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Pflege vor,
die gemeinsam mit den Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises entwickelt wurde.
Spätestens mit den beiden Schlussvorträgen wurde allen Kongressteilnehmern deutlich, dass das manchmal gezeichnete Bild eines vollautomatisierten Pflegeheims mit Pflegerobotern auf den Stationen in naher Zukunft nicht realisierbar und auch nicht wünschenswert ist.
Teilaspekte einer Technisierung der Pflege seien aber durchaus sinnvoll. Professor Dr. Arne Manzeschke (Evangelische Hochschule Nürnberg) hob hervor, dass Fürsorge und Zuwendung in der Pflege technisch nicht ersetzt werden kann und reflektierte die technisch-ethische Fragestellung, wie der Mensch in einer technisch veränderten Welt menschlich bleiben kann. Bei jedem Digitalisierungsprojekt in der Pflege seien daher ethische Überlegungen mit anzustellen.
Simon Baumgarten (Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung) stellte bei der Vorstellung der neuesten Entwicklungen am Fraunhofer-Institut unter Beweis, dass auch die aktuelle Robotik-Forschung nicht zum Ziel hat, sämtliche Pflegetätigkeiten am Menschen zu automatisieren oder gar Pflegeentscheidungen an Roboter zu übertragen, sondern zunächst den Bereich von Transport/Logistik zu digitalisieren und anschließend bei der Betreuung und Grundpflege zu assistieren. "Der digitale Wandel ist ein Trend, dem wir uns als kommunale Pflegeheime im Bereich der Steuerung und Verwaltung, aber auch bei den pflegerischen Prozessen nicht verschließen können, um langfristig wirtschaftlich agieren zu können. Dabei wird Digitalisierung das Problem des Fachkräftemangels möglicherweise lindern, aber nicht lösen. Wir brauchen dringend mehr Menschen, die andere Menschen professionell und menschlich pflegen. Das ist eines der Hauptprobleme unserer Zeit und die Politik ist jetzt gefordert, zu handeln!", so Ludorff abschließend.
Der Bundesverband des kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen e.V. (BKSB) mit seiner Dachmarke "Die Kommunalen" ist Mitglied im Bündnis für Altenpflege und vertritt die Interessen von über 200 Pflegeeinrichtungen mit 18.000 Plätzen in ganz Deutschland.
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