Politik

DEVAP: „Geburtsfehler Behandlungspflege in neuer Legislatur beheben!“

"Für die anstehenden Koalitionsverhandlungen ist ein Punkt unabdingbar: Die Diskriminierung der Behandlungspflege zwischen ambulanter und stationärer Pflege muss beseitigt werden", fordert der DEVAP und hat ein Positionspapier dazu veröpffentlicht.

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Thomas Eisenreich aus der Geschäftsführung des Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) erklärt zur Veröffentlichung der Positionierung des Verbandes "Gleichbehandlung sichern – Medizinische Behandlungspflege im häuslichen und stationären Bereich":

"Für die anstehenden Koalitionsverhandlungen ist ein Punkt unabdingbar: Die Diskriminierung der Behandlungspflege zwischen ambulanter und stationärer Pflege muss beseitigt werden. Selbst in den Wahlprogrammen und bei den Antworten der Fraktionen auf unsere Wahlprüfsteine herrscht einhelliger Konsens: Hier muss etwas passieren. Jetzt müssen Taten folgen und das Thema muss in die Jamaika – Koalitionsverhandlungen!

Seit vielen Jahren wird diskutiert wie die Finanzverantwortung für die Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen in das Sozialgesetzbuch V gebracht werden kann. Der DEVAP macht in Abstimmung mit der Diakonie Deutschland dafür einen Vorschlag, wie die schrittweise Überführung der Finanzierung vom SGB XI in das SGB V vollzogen werden kann.

Es muss jetzt etwas geschehen und der Transformationsprozess angegangen werden. Der Anteil der Behandlungspflege im stationären Bereich wächst. Damit werden die stationär gepflegten Menschen über Gebühr belastet, weil sie einen immer größeren Teil der Kosten über den steigenden Eigenanteil schultern müssen. Zudem werden der Pflegeversicherung Gelder entzogen, die für andere Zwecke nicht zur Verfügung stehen. Das muss ein Ende haben!

Im Positionspapier von DEVAP und Diakonie Deutschland heißt es:

"Die Diakonie Deutschland und der DEVAP vertreten seit Einführung der Pflegeversicherung die Position, dass die medizinische Behandlungspflege in die Finanzverantwortung der Krankenkassen gehört. Mit dem jetzt vorliegenden Papier wird ein Lösungsvorschlag präsentiert, der die schrittweise Umsetzung dieser Forderung vorsieht. …

Die Kosten der medizinischen Behandlungspflege werden zu einem Teil der Pflegevergütung (§ 82 SGB XI) und somit von der Pflegeversicherung aber auch vom Versicherten getragen. Da die stationären Leistungsbeiträge der Pflegeversicherung meist nicht alle pflegebedingten Kosten abdecken, muss der Betroffene selbst oder ggf. die Sozialhilfe einspringen. Somit wird der Versicherte bei stationärer Versorgung zusätzlich belastet und ihm werden Leistungen der Krankenversicherung vorenthalten, obwohl er Mitglied in der Krankenversicherung ist und weiterhin ihr Beiträge bezahlt. Diese Ungleichbehandlung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung ist sachlich nicht zu begründen.

Mit der Überführung der Finanzierungsverantwortung der medizinischen Behandlungspflege in der stationären Pflege wird im Versorgungssetting Klarheit geschaffen, da die Zuordnung der medizinischen Behandlungspflege zur Krankenversicherung systemkonform und rechtlich trennscharf erfolgt. Unabhängig vom Ort der Leistungserbringung stehen dem Versicherten die Leistungen zu und damit wird der Gleichbehandlungsgrundsatz erfüllt. 

Umsetzungsschritte:

  • Streichung der medizinischen Behandlungspflege aus den Leistungen der Pflegeversicherung für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen, die von der Pflegekasse im Rahmen der pauschalen Leistungsbeträge § 43 Abs. 2 SGB XI getragen werden .
  • Erweiterung der geeigneten Orte zur Erbringung von Häuslicher Krankenpflege um die stationären Pflegeeinrichtungen in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V.
  • Änderung der Richtlinie zur Erbringung der Häuslicher Krankenpflege (HKP–Richtlinie), die bisher eine Verordnung von Behandlungspflege in stationären Pflegeinrichtungen ausschließt.
  • Die ärztliche Anordnung der medizinischen Behandlungspflege bleibt auch im stationären Bereich bestehen und ist einmalig notwendig, danach besteht eine fortlaufende Meldepflicht bei Veränderungen. Es ist ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren von den Krankenkassen durchzuführen.
  • Ein bürokratiearmer Übergang der Refinanzierung der medizinischen Behandlungspflege ist zu gewährleisten, indem die Leistungserbringer eine Pauschalzahlung zur Abgeltung der erbrachten Behandlungspflege von der jeweiligen Krankenkasse erhalten. Damit ist gewährleistet, dass die Kassen bundesweit gemeinsam und einheitlich agieren.
  • Der Finanzierungsaufwand der Krankenversicherung, der sich aus der Übernahme der medizinischen Behandlungspflege ergibt, wurde in einigen Untersuchungen dargelegt: In einer Studie von Rothgang/Müller (2012) wird das Leistungsvolumen zwischen 1,1 und 2,3 Mrd. Euro – nach deren eigener Modellrechnung mit der höchsten plausiblen Vorabannahme mit 1,8 Mrd. Euro – beziffert, das aus dem Leistungsbereich der Sozialen Pflegeversicherung in den Leistungsbereich der Gesetzlichen Krankenversicherung übergeht. Der Verband Katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD) weist in einer Datenerhebung 3,0 Mrd. Euro auf. (Das bedeutet einen durchschnittlichen Betrag von 470 Euro pro Heimbewohner/innen). Nach Aussage des ehemaligen Patienten-beauftragten und Pflegebevollmächtigten Herrn Laumann, koste die Pflegeversicherung die Behandlungspflege derzeit 2 Mrd. Euro.
  • In den ersten 2 bis 3 Jahren des Übergangs muss eine Datenerhebung erfolgen, damit erstmals eine statistisch valide Datenlage über das Ausmaß der Gesamtkosten der medizinischen Behandlungs-pflege entsteht. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ist die Pauschale nachzujustieren.
  • Es ist in der Erhebung zu klären, ob es Anhaltspunkte gibt, nach denen der individuelle Umfang von Behandlungspflege exakt abgeleitet werden kann (Annahmen: Korreliert das Ausmaß an Behandlungspflege mit dem Pflegegrad oder bildet das neue Begutachtungs-Assessment den Aufwand der Behandlungspflege komplett ab?)
  • Die medizinische Behandlungspflege ist in der Regel durch das Fachpersonal in den stationären Einrichtungen zu erbringen.
  • Der Pauschalbetrag der medizinischen Behandlungspflege, der zukünftig von den Krankenkassen finanziert und nicht mehr von der Pflegeversicherung und von dem Heimbewohner getragen wird, soll nach unseren Vorstellungen anteilig (50/50) den Bewohnern zugutekommen und zur finanziellen Entlastung beitragen. Der verbleibende Anteil soll zur Verbesserung der Personalschlüssel in den Pflegeinrichtungen genutzt werden.