Politik

Fachkräfte-Engpass: BMWi-Studie zeigt dringenden Handlungsbedarf

Eine neue Studie, erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), nimmt erstmals eine umfassende Bestandsaufnahme der Entwicklung der Angebotsstruktur, der Beschäftigung sowie des Fachkräftebedarfs im nichtärztlichen Bereich der Gesundheitswirtschaft vor. Beispiel Altenpflege: Im Jahr 2030 kann mehr als jede vierte Stelle nicht besetzt werden. Forderung: Dringender Handlungsbedarf.

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Eine aktuelle Untersuchung von IEGUS, WifOR und IAW im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zeigt: Bis zum Jahr 2030 ist mit einem zunehmenden Fachkräftebedarf in den untersuchten Berufsgruppen zu rechnen. Im Fokus der Arbeit stehen die nichtärztlichen Gesundheitsfachberufe, die dienstleistungs- und patientenorientiert arbeiten. Dazu gehören die Gesundheits- und Krankenpflege, das Hebammenwesen, die Altenpflege, die Physiotherapie und Logopädie sowie das Orthopädietechnik-Handwerk und die Hörakustik.

Lücke zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage besteht über alle Szenarien hinweg: Außergewöhnliche Arbeitszeiten und belastende Tätigkeiten sind in der noch immer weiblich dominierten Pflegewirtschaft weit verbreitet. Die Jahresentgelte in den Pflegeberufen steigen im Lebensverlauf kaum an. Die Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse ist im Vergleich zur Gesamtwirtschaft relativ hoch. "Beschäftigungsabbrüche spielen insbesondere während der Ausbildung oder in den ersten Berufsjahren eine Rolle", sagt Dr. Andreas Koch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAW.

Das entwickelte Arbeitsmarktmodell zeigt die wahrscheinlichen Auswirkungen auf das Arbeitskräftepotenzial in drei Handlungsfeldern: Beschäftigungsfähigkeit zum Verbleib im ausgeübten Beruf, Berufszuwanderung und Absolventenzahl. Im Ergebnis wird das Arbeitsangebotspotenzial in allen untersuchten Berufsgruppen bis zum Jahr 2030 rückläufig sein. Hierzu erklärt Dr. Sandra Hofmann, Forschungsleiterin des Bereichs Arbeitsmarkt bei WifOR: "In Verbindung mit der prognostizierten Nachfrage ergibt sich in allen Berufsgruppen und über alle Szenarien hinweg ein Fachkräfteengpass." "Der größte Handlungsspielraum zur Abschwächung des Engpasses besteht in der Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit im ausgeübten Beruf", hält Thomas Neldner, Projektleiter beim IEGUS Institut, fest. Die Fachkräftesituation kann außerdem beeinflusst werden, indem die Berufszuwanderung gesteigert bzw. die Abwanderung reduziert und die Absolventenzahl erhöht wird. Rückschlüsse auf die Ursachen dieser Entwicklungen und damit auf konkrete Maßnahmen lassen sich derzeit nur bedingt ziehen. Die Autoren zeigen daher weitere Optionen zur Abschwächung des prognostizierten Arbeitsfachkräfteengpasses auf.

  • Für die Berufsgruppe Altenpflege zeichnet nach dieser Studie sich ein Anstieg des Engpasses von 83.000 Arbeitskräften im Jahr 2016 auf 182.000 Personen im Jahr 2030 ab. Im Gegensatz zum Nachfragepotenzial, das von 622.000 Personen (2016) auf 645.000 (2030) ansteigt, reduziert sich das Angebotspotenzial um 14,1 Prozent von ursprünglich 539.000 (2016) auf 463.000 Arbeitskräfte bis zum Jahr 2030.
  • Der doppelte demografische Wandel, der sich zum einen im deutlichen Rückgang des Angebotspotenzials und zum anderen in der steigenden Nachfrage nach Dienstleistungen und damit auch Arbeitskräften in diesem Bereich widerspiegelt, führt dazu, dass im Jahr 2030 mehr als jede vierte Stelle nicht besetzt werden kann.
  • Das Durchschnittsalter in der Altenpflege steigt, gemäß den Projektionen des makroökonomischen Arbeitsmarktmodells, von 40,5 Jahren in 2012 auf 47,1 Jahre in 2030 an (Gesundheitswirtschaft 2016: 41,6 Jahre; 2030: 46,4 Jahre). Vergleicht man den Anstieg des Durchschnittsalters aller vier Berufsgruppen des nichtärztlichen Bereichs der Gesundheitswirtschaft, zeigt sich, dass die Altenpfleger die moderateste Zunahme ausweisen. Die Frauenquote in der Altenpflege reduziert sich von 82,9 Prozent (2016) auf 74,6 Prozent bis zum Jahr 2030 (Gesundheitswirtschaft 2016: 47,0 Prozent; 2030: 42,0 Prozent).