Politik

GroKo-Niedersachsen strebt Tarifvertrag Soziales an

Während in Berlin weiterhin keine neue Bundesregierung in Sicht ist, haben SPD und CDU in Niedersachsen sehr zügig verhandelt und bereits ihre Koalitionsvereinbarung veröffentlicht. Im neuen Kabinett von MP Stephan Weil (SPD) soll die Gesundheitspolitikerin Dr. Carola Reimann (SPD) neue Sozialministerin werden und für die künftige Pflegepolitik zuständig sein. Die Grundzüge sind in der GroKo-Vereinbarung, die der Redaktion CARE INVEST vorliegt, auf mehreren Seiten fixiert worden.

- Dr. Carola Reimann, bisher stv. SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, soll die neue Pflege- und Gesundheitspolitik in Niedersachsen verantworten.Foto: Susie Knoll

Im neuen Niedersachsen-Kabinett bekommen SPD und CDU jeweils fünf Ministerposten. Die SPD stellt mit Stephan Weil zusätzlich noch den Ministerpräsidenten. CDU-Landeschef Bernd Althusmann wird künftig stellvertretender Ministerpräsident – darüber hinaus Minister für Wirtschaft, Arbeit und Digitales. Nach jahrzehntelangem Streit zwischen den beiden Parteien sprach Weil von einem beginnenden "Neustart in den Beziehungen."

Das Amt des Finanzministers wird Reinhold Hilbers (CDU) übernehmen. Der 53-jährige Betriebswirt aus Lingen war im Wahlkampf von Althusmann als Schatten-Sozialminister der CDU präsentiert worden. Vielleicht stellt er vor diesem Hintergrund nicht alle sozialpolitischn Vorhaben der neuen Landesregierung unter Finanzierungsvorbehalt.

Nun aber wird eine ausgewiesene Fachpolitikerin neue Sozialministerin und damit Nachfolgerin von Cornelia Rundt (SPD): Dr. Carola Reimann, von 2005 bis 2009 Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, von 2009 bis 2013 Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit im Bundestag und seit 2013 stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion zuständig für Arbeit und Soziales, Frauen, Senioren, Familie und Jugend.

Zum Themenfeld Gesundheit und Pflege haben die Verhandlungspartner in der Koalitionsvereinbarung u.a. festgehalten:

  • Freie Wohlfahrtspflege: Wir werden uns für eine partnerschaftliche Sozialpolitik und für eine Weiterentwicklung des Wohlfahrtsfördergesetzes durch Anpassung der Vereinbarung sowie zeitnahe Klärung auf der EU-Ebene einsetzen.
  • Vor allem im ländlichen Bereich fehlen Hausärzte, einige Facharztgruppen und Hebammen. Um dem zu begegnen, werden wir uns für eine gemeinsame und sektorenübergreifende Planung und Versorgung des ambulanten und stationären Sektors einsetzen.
  • Wir sehen in der Digitalisierung große Potenziale, um das Gesundheitssystem effektiver zu machen und wollen dies durch die Förderung von Modellprojekten mitgestalten. …Wir werden in diesem Themenfeld einen breiten Dialog zwischen Praxis, Wissenschaft und der Öffentlichkeit anstoßen.
  • Eine bessere ärztliche Versorgung auf dem Land durch Anreizsysteme, Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Stipendien, Ärztehäuser, medizinische Versorgungszentren, Gesundheitszentren, Einsatz von Versorgungsassistentinnen und -assistenten in der Hausarztpraxis (VERAH) und Einbeziehung von ambulanten Pflegediensten wird angestrebt. Auch die Substitution ärztlicher Leistungen unterstützen wir.
  • Modellvorhaben bieten die Möglichkeit zur intersektoralen Zusammenarbeit. In kommunalen Gesundheitszentren gibt es unterschiedliche ambulante Versorgungsangebote unter einem Dach. Weitere Gesundheitsregionen sollen aufgebaut und medizinische Versorgungszentren, auch in kommunaler Trägerschaft, unterstützt werden.
  • Um die ambulante Heilmittelversorgung aufrechtzuerhalten, setzen wir uns dafür ein, dass die Vergütungen der ambulanten Heilmittelerbringer durch die Kostenträger in der Form refinanziert werden, dass die Bezahlung der ambulant tätigen Therapeuten sich nicht mehr wesentlich von der tariflichen oder tarifangelehnten Vergütung der im stationären Bereich Tätigen unterscheidet.
  • Wir wollen die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen zukunftsfähig gestalten und ihre Entwicklung in den Mittelpunkt stellen. Mit der gezielten Vergabe von Investitionsmitteln an Standorte mit Spezialisierungen, Kooperationen und Fusionen verfügt das Land dazu über ein maßgebliches Instrument. In diesem Sinne werden wir gemeinsam mit den Akteuren des Krankenhausplanungsausschusses den Krankenhausplan in Niedersachsen anpassen. Dabei streben wir eine Trägervielfalt und eine gut erreichbare Krankenhausversorgung mit trag- und zukunftsfähigen Strukturen an. Wir werden Wege der Spezialisierung eröffnen. Fusionen und Schwerpunktbildungen sollen gefördert werden. Den Investitionsstau bei den Krankenhäusern in Niedersachsen werden wir weiter abbauen und einen neuen verhindern. Dazu wollen wir das Fördervolumen des Landes für die Einzelförderung von Krankenhäusern deutlich erhöhen, das Krankenhausinvestitionsprogramm fortentwickeln und analog zum Wirtschaftsförderfonds verstetigen.
  • Wir wollen zur Sicherung der Qualität eine Verbesserung der Personalausstattung in Krankenhäusern, insbesondere in der Pflege. Die verbindliche Refinanzierung muss durch den Landesbasisfallwert gewährleistet werden. Die Erfüllung der Personalbemessung durch die Kostenträger muss sichergestellt werden. Dazu soll ggf. eine Bundesratsinitiative gestartet werden.
  • Die Herausforderungen des Pflegepersonals bei der Betreuung und Versorgung von Demenzkranken, die mit einer Akuterkrankung im Krankenhaus sind, sollen bei der Personalbemessung berücksichtigt werden. Dafür werden wir mit den Kostenträgern Modellprojekte entwickeln, um die Betreuung von Demenzkranken im Krankenhaus zu verbessern.
  • Wir unterstützen ein hochwertiges und flächendeckendes Angebot nicht profitorientierter Sterbebegleitungen sowie ambulanter und stationärer Hospizeinrichtungen, unter besonderer Berücksichtigung der Palliativstützpunkte.
  • Wir wollen Pflege gemeinsam mit den Pflegekassen und den Anbietern flächendeckend sicherstellen. Die Qualität in der Pflege spielt eine bedeutende Rolle und ist ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Das Wunsch- und Wahlrecht pflegebedürftiger Menschen ist zu beachten.
  • Wir wollen gemeinsam mit den Pflegeeinrichtungen, den Pflegekassen und den Sozialverbänden Schritte zur Verbesserung der Personalschlüssel in der ambulanten und stationären Pflege vereinbaren. Wir streben eine Regelung in der Landesrahmenvereinbarung an, um eine Verbesserung der Personalschlüssel in der Pflege vor 2020 zu erreichen.
  • Mit tariflichen Maßnahmen wollen wir den Leistungswettbewerb zwischen den Pflegeeinrichtungen so gestalten, dass nicht der niedrigste Preis, sondern die Qualität der Leistung im Fokus steht. Wir wollen private Anbieter vom Mehrwert des angestrebten Tarifvertrags Soziales oder einer den gültigen Tarifverträgen angepassten Entlohnung in der Altenpflege überzeugen.
  • Bei der Förderung von Investitionskosten der Träger durch das Land soll eine dem Tarif vergleichbare Bezahlung als Förderkriterium berücksichtigt werden.
  • Wir wollen die Personalsituation sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich verbessern. Dazu gehört die Anerkennung der tariflichen Bezahlung und des angemessenen Unternehmerrisikos bei der Vereinbarung der Entgelte für alle Pflegeleistungen. Alle Träger sind dabei gleich zu behandeln. In der ambulanten Pflege ist bei tarifgerechter Bezahlung auch die gleiche Pflegevergütung zu gewähren. Die passiven Zeiten, insbesondere Wegezeiten, müssen dabei angemessen berücksichtigt werden.
  • Wir wollen den Ausbau der Angebote für Kurzzeitpflege einschließlich Verhinderungs- und Überbrückungspflege im ländlichen Raum unterstützen. Wir prüfen, ob eingestreute Kurzzeitpflege wieder förderfähig gemacht werden kann. Bei der Förderung der Investitionskosten von stationären Einrichtungen wollen wir die Belegungsquote soweit absenken, dass ein wirtschaftlicher Betrieb auch bei geringerer Belegung möglich ist.
  • Die im Landespflegegesetz vorgegebenen Pflegekonferenzen und Pflegerahmenpläne wollen wir zur Planung nutzen.
  • Wir überprüfen die Ausbildungen im Gesundheits- und Pflegebereich auf Aktualität. Die Fortschritte in der Forschung und ihrer Anwendung sollen in den Ausbildungen abgebildet werden. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung ist für die Gesundheitsberufe zuständig, einschließlich der Curricula.
  • Die Sicherstellung der Pflegeinfrastruktur ist Sache der Pflegekassen. Wir wollen den Ausbau und die Unterstützung von unterversorgten Angeboten wie der Tagespflege weiterentwickeln zu integrierten Versorgungsstrukturen im Rahmen von SGB V und SGB XI.
  • Wir wollen Modellvorhaben für sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen initiieren, um Projekte über den Innovationsfonds zu unterstützen.
  • Die Integration von altersgerechten Assistenzsystemen im Alltag mit neuen Beratungsstrukturen soll gestärkt werden. Dazu ist eine Aufnahme in den Hilfsmittelkatalog erforderlich.
  • Die Landespflegekammer befindet sich in der gesetzlich vorgesehenen Vorbereitungs- und Umsetzungsphase für die im März 2018 anstehenden Kammerwahlen. Zur Hälfte der Legislaturperiode evaluieren wir die Wirkungen und die Organisation der Pflegekammer.