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IMMAC-Schiermann: „In den aktuellen Multiples steckt viel heiße Luft!“
Der Pflegeimmobilien-Markt in Deutschland läuft heiß. Ist das ein Grund zur Euphorie? In einem Interview mit CARE INVEST sieht Marcus H. Schiermann, Vorsitzender des Aufsichtsrats der IMMAC Holding AG, allerdings eine Reihe gefährlicher Trends. Ein Anstoß zur Debatte.

- Herr Schiermann, der Pflegeimmobilienmarkt brodelt derzeit. Ist da mehr Geld als Verstand im Spiel?
> SCHIERMANN: "Das würde ich nicht sagen. Richtig ist eher, dass die Motivation zur Investition eine andere ist. Bisher haben Investoren sich inhaltlich für die Assetklasse interessiert und auf Basis von Risiko und Realwertansätzen ihre Investition in Pflegeimmobilien getätigt. Heute wird diese Immobilienform leider als reines Finanzanlageprodukt, vorwiegend von in- und ausländischen institutionellen Investoren genutzt. Durch die Niedrigzinspolitik und die extrem hohe im Markt vorhandene Liquidität stehen solche Investoren vor der Wahl, sogar Negativzinsen zu akzeptieren oder annähernd alles auch zu überhöhten Preisen zu kaufen, nur um eine Mindestrendite für das Kapital zu erwirtschaften.
Selbst wenn dann später nach wieder gestiegenen Zinsen und wieder fallenden Multiples die Werte später berichtigt werden müssen, sind 2% nach Wertberichtigung noch immer besser als -0,5% Negativzins. Diese Denkweise ist nachvollziehbar, für den Markt der Sozialimmobilien aus meiner Sicht aber äußerst kritisch.
Anders verhält es sich da, wo der Markt für Sozialimmobilien von Geschäftemachern entdeckt wurde. Hier geht es nur noch darum möglichst hohe Bauträgermargen, Provisionen oder Verkaufserlöse zu Lasten von unwissenden Privatanlegern zu generieren. Aus meiner Sicht ist dies ein höchst gefährlicher Trend. Die Anbieter solcher Anlagemodelle sind ggf. in ein paar Jahren verschwunden. Privatanleger laufen aber höchste Gefahr, ihr Geld bei überteuerten "Sozialinvestments", z.B. im Teileigentum, zu verlieren. Was bleibt, ist ein Scherbenhaufen, wie ihn die systemrelevanten Investoren der Sozialwirtschaft schon einmal zwischen 2006 und 2008 erlebt haben. Das Image des sozialwirtschaftlichen Marktes wird durch unverantwortliche Geschäftemacherei am Ende stark geschädigt. Leidtragender wird am Ende wieder der Betreiber sein. Wenn die Liquidität auf Grund der hohen Multiples zu gering bei dem Investment ist, wird es wieder Diskussionen hinsichtlich der Instandhaltung der Häuser, notwendiger Umbauten oder auch einer wie auch immer gearteten Betreiberunterstützung geben.
Insofern kann ich insbesondere Privatanlegern nur raten, ein Angebot genau zu prüfen und auch fachlichen Rat hinsichtlich der Substanzwerte eines Investments einzuholen. Wenn man das versäumt kann man schon sagen, dass mehr Geld als Verstand im Markt ist."
- Wie sehen und beurteilen Sie denn die Entwicklung der Kaufpreisfaktoren, entsteht hier eine Immobilienblase ?
> SCHIERMANN: "Aus meiner Sicht ist diese Blase bei Sozialimmobilien schon längst da. Wir sehen für Neubauten heute Multiples zwischen 16 und 19-fach im Angebotsmarkt. Zwar sind wegen des Bau- und Investitionsbooms auch die Baukosten deutlich gestiegen, dennoch sind bei diesen Multiples rd. 3 Jahresmieten heiße Luft.
Noch schlimmer ist es mangels alternativen Angeboten bei den zuletzt stark angebotenen Aufteilermodellen. Hier wird ein Pflegezimmer als Teileigentum sogar zum bis zu 25-fachen verkauft. Das kann nicht gutgehen und ist substanziell durch nichts begründet. Am Ende tragen Privatanleger hier ein extrem hohes Risiko. Es gibt kaum eine Chance, ein solches Teileigentum wieder zu verkaufen. Wenn man bedenkt, dass wir vor 5 Jahren ein Pflegeheim noch zum 12,5-fachen der Jahresmiete (bei einer geringeren Miete pro Bett und Tag) löffelfertig hergestellt haben, kann man sich vorstellen, wozu das 25-fache führt."
- Wie reagiert IMMAC auf diese Entwicklungen ?
> SCHIERMANN: "IMMAC ist seit 20 Jahren mit ihren Fonds ein klassischer Bestandshalter. Wir haben eine sehr konkrete und aus Realdaten sowie historischen Daten unseres Researchs hergeleitete Vorstellung davon, was ein Pflegeheim wert ist und welche besonderen Themen bei einer Investition berücksichtigt werden müssen. Daher kaufen wir definitiv zu solchen Marktpreisen nicht. Wir sehen heute unter Berücksichtigung der gestiegenen Baukosten und Grundstückspreise den Realwert einer stationären Pflegeeinrichtung neuester Generation beim max. 15-fachen der Pacht. Die Pachtansätze liegen hierbei je nach Leistungsabgrenzung zwischen 16,50 und 18,00 Euro pro Bett und Tag.
Neubauten werden aber derzeit zwischen 16 und 19-fach angeboten. Unsere Entscheidung war deshalb bereits vor zwei Jahren, dass wir alle Neubauten für unser Portfolio selbst bauen und dann zum rd. 15-fachen in unsere Fonds einbringen. Wir wollen hierbei insbesondere vermeiden, dass wir bei steigenden Zinsen und damit einhergehenden, sinkenden Multiples unsere Bestände wertberichtigen müssen.
Wir haben relativ komplexe Analysen zu diesem Thema angestellt und können einfach zusammengefasst sagen, dass eine Zinssteigerung um rd. 40 Basispunkte eine Kaufpreisreduktion um eine Jahresmiete bedeutet. Anders gesagt: Bei 1,20% Zinssteigerung im langfristigen Bereich gehen die Marktwerte um drei Jahresmieten runter. Der Zeitpunkt der Wertberichtigung wird also wesentlich von dem Zeitpunkt der Zinssteigerung abhängig sein. Kommen wird diese Wertberichtigung aus unserer Sicht sicher.
Wir können unser jährliches Investitionsvolumen zwischen 200 und 250 Mio. € bei dem heutigen Markt nicht erreichen und es auch nur teilweise durch die Eigenbauten kompensieren. Im Ergebnis bleiben wir aber dennoch unserer Linie treu und kaufen in Deutschland einfach weniger und im Ausland mehr ein oder verlagern Investitionen in andere Assetklassen, bis die Preise wieder auf ein sachgerechtes Niveau zurück gekehrt sind.
Bereits seit 2008 investiert IMMAC auch in Pflegeheime im europäischen Ausland. Hierbei haben wir die Möglichkeit, antizyklisch zu agieren. Ein Pflegeheim funktioniert als Immobilie nicht wie andere Immobilien. Das Haus ist so gut, wie es durch den Betreiber belegt ist und gemanagt wird. Auch die Qualität der Pflege hat hier einen direkten Einfluss auf den Wert der Immobilie. Insofern gilt für uns nicht Berlin, München, Hamburg, Frankfurt, für uns gilt Bedarf, Betreiberqualität, Refinanzierung des Betreibers und technische Beschaffenheit der Immobilie. Sofern also die Refinanzierungssysteme für die Pflege in europäischen Ländern dazu geeignet sind, investieren wir dort auch. Unsere Kunden und Anleger schätzen diese Länderallokation – und wir sind nicht nur von einem Markt abhängig.
Auch nehmen wir eine Verdichtung auf den Grundstücken unserer Bestände in Deutschland vor und entwickeln neue Angebotsformen. Wir errichten hierbei z.B. an geeigneten eigenen Pflegeheimstandorten ergänzend zu der bestehenden stationären Pflegeeinrichtung Servicewohnen-Einheiten mit direkter Anbindung. Hierdurch können unsere Betreiber ein breiteres Angebotsspektrum realisieren und ergänzende Umsätze in den Sekundärleistungen generieren. Gleichzeitig trifft das Angebot von Servicewohnungen auf hohe Nachfrage bei den Nutzern, die im späteren Fall der Pflegebedürftigkeit nicht nochmals umziehen müssen und ihr soziales Umfeld nicht erneut verlieren. Zwischenzeitig realisieren wir in diesem Bereich rd. 100 Wohnungen pro Jahr und werden die Investitionen in den kommenden Jahren auf 150 bis 200 Wohnungen pro Jahr steigern."
Sofern der Markt sich wieder beruhigt, werden wir aber umgehend auch in Deutschland wieder intensiver einkaufen. Unsere Partner und Betreiber begleiten wir dennoch auch in dieser Hochpreisphase ggf. mit alternativen Finanzierungs- und Investitionsmodellen bei der Investition in Einrichtungen oder der Expansion.
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