Politik
IW schlägt Alarm: Bereits 2030 fehlen der Pflegeversicherung rund 8 Mrd Euro
Der demografische Wandel führt dazu, dass die Ausgaben Kranken- und Pflegeversicherung in den nächsten Jahrzehnten steigen und die Einnahmen sinken werden. Dr. Susanna Kochskämper vom Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW): "Allein der sozialen Pflegeversicherung werden im Jahr 2030 knapp 8 Mrd Euro fehlen – wenn die Politik jetzt nicht gegensteuert."

In den vergangenen Monaten wurde viel über die finanzielle Tragfähigkeit der gesetzlichen Rente diskutiert. Dabei traten die anderen Sozialversicherungszweige in den Hintergrund – doch insbesondere in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung sind Reformen ebenso dringend geboten.
Das zeigt auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Demnach kommt es bei gleichbleibendem Leistungsniveau und den heutigen Beitragssätzen zu einer enormen Finanzierungslücke in beiden Systemen: Bis 2030 könnte diese Lücke allein in der GKV auf knapp 36 Milliarden Euro pro Jahr anwachsen, bis 2040 dann auf gut 51 Milliarden.
In der Pflegeversicherung werden im Jahr 2030 knapp acht Milliarden und 2040 rund 10 Milliarden Euro im Jahr fehlen.
Der Grund dafür sei der demografische Wandel, so Dr. Susanna Kochskämper, IW-Expertin für die soziale Sicherung. Da die Zahl der älteren Menschen stetig zunimmt, steigt die Zahl der Kranken und Pflegebedürftigen. Gleichzeitig sinken die Einnahmen, weil es immer weniger erwerbstätige Beitragszahler gibt.
In der Pflege spiele der medizinisch-technische Fortschritt bisher eine eher untergeordnete Rolle. Pflegeleistungen sind sehr personalintensiv, das Rationalisierungspotenzial ist nicht groß. Allerdings sei davon auszugehen, dass die Preise für Pflegeleistungen stärker steigen als die allgemeinen Güterpreise, gerade weil sie personalintensive Leistungen sind. Würde die Lohnentwicklung im Pflegesektor dauerhaft hinter der allgemeinen Lohnentwicklung zurückbleiben, könnte das Leistungsniveau aufgrund von Personalknappheit nicht gehalten werden.
Soll der Leistungsumfang der beiden Versicherungszweige beibehalten werden und bleiben die Steuerzuschüsse konstant, müssten nach den IW-Berechnungen die Beitragssätze steigen: für die Krankenversicherung von aktuell 14,6 Prozent auf 19,2 Prozent in 2040 und für die Pflegeversicherung von derzeit 2,55 Prozent – beziehungsweise 2,8 Prozent für Versicherte ohne Kinder – auf durchschnittlich 3,2 Prozent in 2040.
Die Arbeitslosenversicherung miteinbezogen, müssten nach derzeitiger Entwicklung langfristig über die Hälfte des Bruttoeinkommens an die Sozialversicherung abgegeben werden – dabei seien Steuern noch nicht berücksichtigt. "Diese Zahlen verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf für die Politik", sagt Susanna Kochskämper. "Die Politik ist daher gefordert, neue Ansätze und Wege für diese beiden Sozialversicherungszweige zu finden, sollen die Beitragssätze langfristig nicht aus dem Ruder laufen. Reformen der Finanzierungsseite, aber insbesondere neue Verfahren zur Gestaltung der Leitungskataloge und neue Organisationsformen für die medizinischen und pflegerischen Leistungserbringer, die eine ressourcenschonendere Versorgung der Patienten und Pflegebedürftigen bei gleichbleibender Qualität versprechen, sind dringend notwendig."
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