Unternehmen
Meurer: „Care for Integration – Eine gute Chance für Flüchtlinge wie für Pflegeunternehmen“
bpa-Präsident Bernd Meurer ist selbst Betreiber dreier Pflegeheime in Bayern und Rheinland-Pfalz. Tagtäglich hat er mit dem Thema Fachkräftemangel zu tun. Dana Bethkenhagen aus unserem Hauptstadtbüro sprach mit ihm über die Option, Flüchtlinge für die Pflegeunternehmen zu gewinnen, über kulturelle Unterschiede, sprachliche Barrieren und das vielversprechende Projekt "Care for Integration".

Herr Meurer, Sie selbst sind Betreiber dreier Pflegeheime in Bayern und Rheinland-Pfalz. Wie schwierig ist es für Sie, Mitarbeiter zu finden? MEURER: Der Mangel an Pflegefachkräften wirkt sich nicht nur bei mir, sondern bei nahezu allen Pflegeheimen- und diensten in Deutschland aus. Es ist mittlerweile schon schwer, Pflegehelfer zu rekrutieren. Normalerweise dauert es im Schnitt aller Berufe drei Monate, bis eine Stelle neu besetzt wird. In der Altenpflege dauert dies fünf Monate. Das macht deutlich, wie ernst die Lage in der Altenpflege ist. Nun sind in den vergangenen Monaten viele Tausend Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Inwiefern können diese Menschen dazu beitragen, das Pflegekräfteproblem zu lösen – auch in Ihren Häusern? MEURER: Generell werden die geflüchteten Menschen nicht Deutschlands Fachkräfteproblem lösen. Aber sie können dazu beitragen, es zu lindern. Diese Chance wollen wir den geflüchteten Menschen mit dem Projekt "care for integration" geben, aber auch unseren Mitgliedsunternehmen in Nordrhein-Westfalen eröffnen. Mit dieser Ausbildung zum Altenpflegehelfer legen wir für die Interessierten die Grundlage, um später auch Fachkraft werden zu können und sich gesellschaftlich zu integrieren. Der bpa ist gemeinsam mit der Akademie für Pflegeberufe und Management Träger des Projektes "Care for Integration", das am 1. Dezember in NRW gestartet ist. Was zeichnet es aus und wie wird es finanziert? MEURER: Projektträger sind die Akademie für Pflegeberufe und Management gGmbH (apm) sowie der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa). Wir setzen das Projekt mit Unterstützung des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA), des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales sowie der Bundesagentur für Arbeit um. Damit eröffnen wir 160 Flüchtlingen die Chance, in der Altenpflege beruflich Fuß zu fassen. In der ersten Projektphase (max.12 Monate) findet vormittags der Integrations- sowie der Deutschkurs und nachmittags das "Kompetenzzentrum Altenpflege" statt. Innerhalb des Kompetenzzentrums lernen die Teilnehmer erste theoretische und praktische Inhalte der Altenpflege und haben zudem die optionale Möglichkeit, den Hauptschulabschluss nachzuholen. In der zweiten Projektphase (18 Monate) findet dann die Ausbildung zum Altenpfleger in ggf. Kombination mit weiterem Deutschunterricht statt. Die Finanzierung erfolgt über Mittel des ESF, des MGEPA, der BA und der teilnehmenden Einrichtungen und Eigenmitteln der Projektträger. War es schwierig, geeignete Kandidaten zu finden? MEURER: Das sogenannte Screening läuft über die Bundesagentur für Arbeit, die damit bereits in anderen Branchen Erfahrungen gesammelt hat. Sie durchlaufen vor der Aufnahme in das Projekt ein Assessment, dort wird mit ihnen gemeinsam die Eignung für den Beruf ermittelt. Sie müssen für die Ausbildung Empathie und Motivation für die Pflege älterer Menschen sowie mindestens einen Hauptschulabschluss mitbringen und den Willen, rasch und gut Deutsch zu lernen. Etwa 10 Prozent der an diesem Verfahren beteiligten Personen eignen sich dann als Teilnehmer für das Projekt. Vor allem über Menschen, die aus Syrien nach Deutschland gekommen sind, heißt es, sie verfügen über eine gute Bildung. Spiegelt sich das auch in Ihrem Projekt wider? Woher kommen Ihre Teilnehmer? MEURER: Ein sehr kleiner Prozentsatz ist richtig gut qualifiziert, verfügt über Bildungs- und Universitätsabschlüsse, kann Fremdsprachen. Im Screening wird klar, dass es unter den Geflüchteten viele hochmotivierte Menschen gibt, die keinen Abschluss, aber Berufserfahrung haben. Etlichen ist es in den Bürgerkriegswirren schwer gefallen einen Schulabschluss zu erlangen. Wir investieren in ihre Qualifizierung. Der überwiegende Anteil der Teilnehmer kommt aus Syrien, gefolgt von Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran. Stichwort Sprache: Wie wichtig sind Deutschkenntnisse und wie gut sollte die Verständigung nach einem Jahr Sprachkurs klappen? MEURER: Deutschkenntnisse sind das A und O. Deshalb legen wir im ersten Jahr auch viel Wert auf das Lernen der deutschen Sprache. Nach einem Jahr liegt das Mindestniveau bei A2 in der Regel sollte es B1 umfassen. Nicht nur die Sprache kann zu Problemen führen, sondern auch kulturelle Unterschiede. Wie können und müssen die neuen Mitarbeiter in der Pflege einerseits und die Menschen, die gepflegt werden, andererseits darauf vorbereitet werden? MEURER: Der Anteil an Pflegekräften mit Migrationshintergrund liegt gegenwertig bei ca. 23%. In unserm Projekt ist der Integrationskurs in der ersten Projektphase und interkulturelles Training in den Diensten und Heimen entscheidend. Im Übrigen sind unsere Praxisanleiter da schon heute gefordert und auch entsprechend geschult. Das Projekt "Care for Integration" endet mit dem Abschluss zum Altenpflegehelfer. Wie gut schätzen Sie die Aussichten der Projekt-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt ein, auf dem ja vor allem examinierte Fachkräfte gesucht werden? MEURER: Die Ausbildung zum Altenpflegehelfer ist erst der Einstieg in die Altenpflege. Wir wissen doch aus der Praxis, dass dann viele Helfer auch die Ausbildung zur Fachkraft machen. Das ist zudem in dem Projekt bereits angelegt – wer will, kann die Ausbildung fortsetzen. Bislang läuft das Projekt "Care for Integration" nur in NRW. Welche Bemühungen werden in anderen Bundesländern unternommen, um Flüchtlingen eine Perspektive in einem Pflegeberuf aufzuzeigen? MEURER: Auch in anderen Bundesländern gibt es Projekte für und mit geflüchteten Menschen. Für uns ist NRW das Modell, in dem wir gemeinsam Erfahrungen sammeln, auch um diese in anderen Bundesländern einzubringen. Verläuft es vielversprechend, ist es sicher auch Vorbild für andere.
Ein Auszug aus: Pflege Intern 2/2017 , Vincentz Network Berlin
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