Politik

Pflege wird zur zentralen Herausforderung kommunaler Daseinsvorsorge

Rund 638.000 pflegebedürftige Menschen lebten Ende 2015 in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2060 werden es nach aktuellen Prognosen schon 920.500 sein. Um aufzuzeigen, was das für die Kommunen in NRW bedeutet und welche Hilfestellungen Land und Wissenschaft den Kommunen hierbei geben können, veranstalteten das Institut für für Gerontologie an der TU Dortmund und das Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung der Ruhr-Universität Bochum (INWIS) am 02.03.2017 gemeinsam mit dem NRW-Pflegeministerium die Fachveranstaltung "Pflegepolitik in den Kommunen – Neue Herausforderungen für Nordrhein-Westfalen".

- NRW-Pflegeministerin Barbara Steffens sieht sich mit ihrer Pflegepolitik auf dem richtigen Weg und vom Altenbericht bestätigt.Foto: H. Göpel / Archiv

Im Jahr 2060 werden nach aktuellen Prognosen von IT-NTW bei konstanter Entwicklung rund 920.500 pflegebedürftige Menschen in Nordrhein-Westfalen leben, fast 45% mehr als 2015. Diese Menschen nicht nur pflegerisch gut zu versorgen, sondern ihnen vor allem trotz ihrer Pflegebedürftigkeit ein selbstbestimmtes und möglichst aktives Leben in der Mitte der Gesellschaft zu ermöglichen, ist eine der größten Herausforderungen, die unsere Gesellschaft in den nächsten Jahrzehenten bewältigen muss.

Der Ende letzten Jahres veröffentlichte Siebte Altenbericht der Bundesregierung hat einmal mehr aufgezeigt, wo der Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderung liegt: In der Gestaltung und Förderung lokaler Strukturen der gegenseitigen Sorge und Unterstützung.

Zur Fachveranstaltung "Pflegepolitik in den Kommunen – Neue Herausforderungen für Nordrhein-Westfalen" erklärte NRW-Pflegeministerin Barbara Steffens: "Eine Pflegepolitik, die die Menschen in den Mittelpunkt stellt und ihnen neben einer optimalen gesundheitlichen Versorgung vor allem Lebensqualität und Lebensfreude bis ins hohe Alter erhalten will, kann nur dort gestaltet werden, wo die Menschen ihre Heimat haben. Hier schlägt sprichwörtlich ihr Herz, hier wollen die Menschen leben, hier wollen sie bleiben: In unseren Kommunen, in den Quartieren, in den Dörfern und Nachbarschaften. Deshalb müssen wir mit allen Angeboten – von den Nachbarschaftstreffs, ehrenamtlichen Besuchsdiensten, Mittagstisch-Angeboten und auch den professionellen Angeboten von Pflegediensten und Pflegeheimen – genau dort ansetzen. Wir brauchen altengerechte Quartiere. Und die können nur von den Expertinnen und Experten vor Ort gestaltet werden. Auf dem Weg, als Pflegeministerium die Kommunen hierbei zu unterstützen, haben wir in NRW dank des Engagements zahlreicher Institutionen bereits viel erreicht. Aber angesichts der Größe der Herausforderung bleibt viel zu tun."

Schon heute könnten die NRW-Kommunen durch das "Landesbüro altengerechte Quartiere.nrw" Unterstützung bei den ganz praktischen Fragen der Quartiersentwicklung erhalten. Im Rahmen des "Masterplans Quartier" des NRW Pflegeministeriums bietet das Landesbüro mit einem Internetbaukasten, einer Projektlandkarte und auch mit einer Impulsberatung vor Ort ganz konkrete Hilfen an. Auch die rund 50 Modellvorhaben zur altengerechten Quartiersentwicklung in NRW werden durch das Landesbüro begleitet.

Von Beginn an arbeitet auch das InWIS im Landesbüro mit. Dessen wissenschaftlicher Direktor Prof. Dr. Rolf G. Heinze betonte die besondere Rolle der Kommunen, die bei der Vernetzung und Kooperation eine stärkere Rolle einnehmen müssten. "Ohne quartiersnahe Versorgungskonzepte und einen Welfare-Mix wären hilfs- und pflegebedürftige Ältere oft alternativlos auf eine Heimunterbringung verwiesen. In lokalen, wohnquartiersbezogenen Projekten kann man den Verbleib in der eigenen Wohnung in vielen Fällen nur ermöglichen, wenn sowohl soziale Betreuung (professionelle soziale Dienste wie bürgerschaftliches Engagement) als auch technische Assistenz eingesetzt werden. Der Schub für integrierte, quartiersnahe Lösungen gelingt zudem nur unter Einbeziehung aller betroffenen Akteure (Kommunen, Gesundheits- und Wohnungswirtschaft, Sozialorganisationen)".

Dass jede Form einer solchen Quartiersentwicklung eine gute und wissenschaftlich fundierte Planung benötigt, unterstrich Prof. Dr. Christoph Strünck, Direktor des Instituts für Gerontologie an der TU Dortmund: "Die Kommunen brauchen eine verlässliche Grundlage für die zukünftige Gestaltung einer modernen Pflegepolitik und die Weiterentwicklung pflegebezogener Angebote und Strukturen. Dies erfordert aussagekräftige Informationen und differenzierte Analysen zur Ausgangslage und den zu erwartenden Entwicklungen vor Ort. Wichtig ist es daher, den Kommunen geeignete Instrumente für die Pflegeplanung an die Hand zu geben". Sein Institut unterstütze daher in Kooperation mit dem Pflegeministerium die Kommunen bei einer kommunalen Altenberichterstattung und biete auch konkrete Planungsunterstützung an.

Die gemeinsam veranstaltete Fachtagung wollte auch bewusst auch Impulse für die weitere Entwicklung setzen. Die liefert auch der 348 Seiten starke, mit einer Vielzahl politischer Forderungen unterlegte siebte Altenbericht der Bundesregierung, der sich insgesamt auf das Thema "Sorge und Mitverantwortung in der Kommune" konzentriert.

Barbara Steffens: "Ich bin froh, dass mit Prof. Andreas Kruse und Prof. Rolf G. Heinze gleich zwei Mitglieder der Altenberichtskommission ihre Erfahrungen in die Diskussion in NRW einbringen. Der Bundes-Altenbericht bestätigt einmal mehr, dass unser pflegepolitischer Ansatz in NRW, die Kommunen in der Pflege zu stärken, richtig ist. Er zeigt aber auch auf, dass es von der Bundesgesetzgebung bis zur kommunalen Umsetzungspraxis noch viel Potential gibt, die Rahmenbedingungen für ein Leben im Alter weiter zu verbessern."