Politik
Pflegepolitik neu ausrichten: „Ein Soli für die Pflege“
Die Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grüne zum Thema Pflege haben einen eher oberflächlichen Konsens gebracht: "Mehr Personal und bessere Ausstattung". Wer will das nicht. Wichtiger ist, welche konkreten Schritte eingeleitet werden, um die bekannten Probleme zu lösen. Dazu bringt Axel Hölzer, Geschäftsführender Gesellschafter des Pflegeheimbetreibers Dorea, sechs Forderungen in die Diskussion.

Die sechs Forderungen, die Axel Hölzer, Geschäftsführender Gesellschafter des Pflegeheimbetreibers Dorea, an die möglichen "Jamaika"-Verhandlungspartner in Berlin richtet, lauten:
- Wir brauchen mehr Personal. Aber dieses Personal muss auch bezahlt werden. Deshalb sollte die nächste Bundesregierung einen verbindlichen Personalschlüssel für Heime definieren, der deutlich höher liegt als heute.
- Wer das Ein- Bett Zimmer als Standard fordert, muss auch die Mittel hierfür zur Verfügung stellen. Allein die bis 2030 notwendigen Ersatz-und Neubauten von stationären Pflegeeinrichtungen kosten nach Schätzungen 54 Mrd. Euro.
- Pflegekräfte müssen besser bezahlt werden. Dazu muss die Politik einen angemessenen Lohn für diese Berufsgruppe definieren. Der Mindestlohn allein reicht nicht.
- Wir müssen mehr Geld in die Pflege stecken. Wer mehr Personal will, höhere Löhne und bessere Unterbringung, muss dafür tiefer in die Tasche greifen. Entweder indem er neue Quellen anzapft (z.B. den Soli umwidmet) oder die Beitragssätze erhöht. Soviel Ehrlichkeit muss sein.
- Wir brauchen mehr Zeit für die Pflege. Und das erreichen wir nicht nur durch mehr Personal, sondern auch durch weniger Bürokratie. Pflege wird nicht besser, indem wir sie noch schärfer kontrollieren. Sie wird nur aufwändiger.
- Wir brauchen mehr Verständnis für die Pflege. Wer "DEN" Zustand in Heimen beklagt, stellt einen ganzen Berufsstand an den Pranger. Und das ist nicht nur unfair, sondern absolut unberechtigt.
In einem Interview mit CARE INVEST untermauert der langjährige Manager von Pflegeunternehmen hier seine Forderungen zu den aktuellen Verhandlungsrunden in Berlin:
Was sind aktuell die größten politisch initiierten Fallstricke für Unternehmer in der Pflegewirtschaft?
Axel Hölzer: Dienstleister in der Pflege werden aufgrund der sich ändernden gesellschaftlichen Strukturen dringend gebraucht. Aber wir haben es mit einer Regulierungswut zu tun, sowohl bei den Pflegesätzen, als auch beim Personal, den Gebäuden und verschieden weiteren Kontrollen. Alles ist bis ins kleinste Detail geregelt. Die unternehmerische Freiheit ist massiv eingeschränkt. Meine Überzeugung ist, dass die Bürokratie zunehmend die kleineren Einzelbetreiber überfordert. Einzelunternehmer werden für ihr unternehmerisches Risiko einfach nicht mehr angemessen entlohnt.
Die zusätzlichen Strukturkosten sorgen bei niedrigen Margen für eine weitere Konsolidierung des Marktes. Die vorgegebenen administrierten Preise bieten uns kaum Möglichkeiten, sich über den Preis zu differenzieren. Wir müssen zweimal im Jahr mit großem Aufwand die Pflegesätze je Haus verhandeln, was das regionale Recht zusätzlich verkompliziert. Nicht die Qualität steht im Mittelpunkt, sondern die Kostendeckelung. Für mich ist die entscheidende Frage: Was wollen wir als Gesellschaft eigentlich an finanziellen Mitteln aufwenden, damit die Qualität der Pflege und Betreuung die breite Öffentlichkeit auch zufriedenstellt? Warum wird hier nicht ein Teilbetrag vom Solidaritätszuschlag der Pflege zur Verfügung gestellt?
Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung? Welche Themen müssen in den kommenden Koalitionsverhandlungen unbedingt auf den Tisch?
Axel Hölzer: Die wichtigsten Fragen sind lange unbeantwortet geblieben, jetzt müssen sie angegangen werden. Beispiele: Brauchen wir mehr Personal in Pflege und/oder für die Betreuung? Wie sollen diese fair entlohnt werden? Hat künftig jeder Menschen mit Pflegebedarf einen Anspruch auf ein Einzelzimmer oder nur Menschen mit höheren Einkommen? Wenn diese u.a. Fragen beantwortet sind, wären die Kosten ermittelbar und die Refinanzierung hierfür zu klären. Derzeit passiert nicht viel, um eine weitere Kostenexplosion zu verhindern. Im Gegenteil. Das Angebot wird weiter verknappt, wenn in immer mehr Bundesländern auf dem Papier Einzelzimmerquoten durchsetzt werden. Das hat z.B. in Bayern nach Einführung des AVPflegeWog in 2016 dazu geführt, das über langjährig erteilte Ausnahmeregelungen die gesetzlichen Regelungen dann doch nicht umgesetzt werden. Ich wünschte mir von der neuen Bundesregierung, dass sie klar sagt, was Ursache und was Wirkung der Qualitäts- und Personalprobleme ist und dann auch konsequent die passenden Lösungen entwickelt, auch wenn die Erfüllung dieses Wunsches wegen der vielen Beteiligten und damit unterschiedlichen Interessen nicht sehr wahrscheinlich ist. Die Pflegebranche muss gemeinsam und selbstbewusst auftreten, um ihre Interessen wie auch die der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen stärker zu vertreten.
- Die Dorea Gruppe wächst weiter: Wie Axel Hölzer gegenüber CARE INVEST bestätigt hat, ist das "Haus am Heeseberg" in Jerxheim vom Vorbesitzer ist Kenneth Woods übernommen worden. Damit werden weitere 106 Betten (23 DZ und 60 EZ) von Dorea betrieben. Damit verfügt die Dorea GmbH nun über insgesamt 4278 Betten und 3284 Mitarbeiter. Laut Hölzer ist die Heeseberg-Übernahme der letzte Zukauf vor der Weihnachts- und Winterpause gewesen. Die Expansionsstrategie bis 2020 sieht weiterhin vor, bis auf 5000 Betten zu wachsen.
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