Politik

Reformpläne in Hessen: Verbände fordern Klarheit

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) begrüßt die Bereitschaft des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, die bestehenden Pflegeeinrichtungen nun doch mit angemessenen Regelungen und einem Bestandsschutz zu sichern. Ursprünglich drohte, dass bestehende und heute uneingeschränkt zugelassene Pflegeheime künftig wegen neuer baulicher Anforderungen in der Existenz gefährdet würden, so der hessische bpa-Landesvorsitzende Jochen Rindfleisch-Jantzon. "Es ist gut, dass das Ministerium klargestellt hat, dass sich bestehende Pflegeeinrichtungen auf großzügige Regelungen verlassen können und die Versorgungssicherheit im Land nicht gefährdet werden soll. Jetzt muss Minister Grüttner aber verläßliche Klarheit schaffen."

- "Zu Lasten von regional verankerten, kleineren mittelständischen Betrieben", warnt Rindfleisch-JantzonFoto: bpa

 Das Statement von Jochen Rindfleisch-Jantzon im Wortlaut:

"Mit den ursprünglich geplanten Verordnungen zum HGBP hätte die Landesregierung den größten Teil der hessischen Pflegeeinrichtungen in Unsicherheit und finanzielle Schwierigkeiten gestürzt und damit die Versorgungssicherheit im Land gefährdet. Es ist gut, dass das Ministerium und Minister Grüttner klargestellt haben, dass sie keine Pflegeplätze gefährden wollen. Nun müssen Taten folgen. Heute schon zugelassene Einrichtungen benötigen einen umfassenden Bestandsschutz. Die geplante zu kurze Frist für die baulichen Anpassungen hätte dramatische Auswirkungen: Einrichtungen, die erst kürzlich modernisiert und dabei Millionenbeträge investiert haben, müssten erneut umbauen, ältere und gut angenommene Einrichtungen wären bedroht, da sich die geforderten Zimmergrößen in vielen Gebäuden nicht umsetzen lassen.
Dies alles ginge vor allem zu Lasten von regional verankerten mittelständischen Betrieben, die vor den enormen Kosten kapitulieren müssten. Nach der vom bpa angestoßenen öffentlichen Kritik, in die inzwischen viele weitere Verbände und Organisationen eingestimmt haben, hat das Land Hessen angekündigt, die Verordnungen und vor allem die Ausnahmeregelungen noch einmal intensiv anzuschauen. Wir werden sehr darauf achten, dass dabei echte Verbesserungen für die gut etablierte und breit aufgestellte Trägerlandschaft in Hessen erfolgen."

Zum Hintergrund:

"Bestehende Einrichtungen sowie solche, die bereits in Planungsprozessen sind, können von großzügigen Regelungen ausgehen und müssen sich nicht sorgen, sofern eine angemessene Qualität des Wohnens, der Betreuung und der Pflege geboten sind. Vielmehr ist diese Verordnung eine Basis für eine Ausweitung der Standards im Sinne der Bewohner für neu entstehende Einrichtungen, also solche, die in Zukunft gebaut werden. Diese müssen diese Standards dann erfüllen" sagte Esther Walter, Pressesprecherin des Hessischen Ministerium für Soziales und Integration auf Nachfrage von CARE-Invest.

Derzeit laufe die Anhörung zum Entwurf der Landesverordnung HGBPVA. "Wie immer werden die Hinweise und umfänglichen Stellungnahmen, darunter auch die des Hessischen Städtetages, natürlich sehr genau angeschaut, analysiert und ausgewertet. Und wie immer in einem solchen Prozess ist nichts in Stein gemeißelt und selbstverständlich sind Änderungen und Nachjustierungen an der Verordnung, wie immer in Anhörungsverfahren, noch möglich und denkbar. Es muss sich niemand sorgen, dass funktionierende Einrichtungen nicht weiterarbeiten können. Wir werden uns hierzu bspw. die Frage der Übergangsfristen nochmals sehr genau ansehen und es gibt im Entwurf die Möglichkeit zu dauerhaften Befreiungen von baulichen Anforderungen", so Walter.

Aktuell werden die Rückläufe der Verbändeanhörung ausgewertet. 96 Verbände seien dazu angeschrieben worden. "23, unter ihnen der Hessische Städtetag, haben teils sehr umfangreiche Stellungnahmen abgegeben, deren Auswertung derzeit mit allergrößter Sorgfalt erfolgt und noch nicht abgeschlossen ist", berichtete die Pressesprecherin und ergänzte: " Es ist schon nach dem jetzigen Entwurf möglich, nach § 12 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) dauerhaft Befreiungen von baulichen Anforderungen zu beantragen und, wenn nicht die Würde der betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen und ihre fachgerechte Versorgung eine restriktive Handhabung erfordert, diese auch zu erlangen. Denn das Land hat selbstverständlich kein Interesse daran, gut funktionierende Einrichtungen, in denen sich die Bewohnerinnen und Bewohner wohl fühlen und die eine angemessene Qualität des Wohnens, der Betreuung und der Pflege bieten, in ihrem Bestand anzufassen, nur weil der Standard nicht vollständig den baulichen Vorgaben in der Verordnung entspricht. Bis Ende des Jahres werden wir die Verordnung dann finalisiert haben".

Verbände, private Träger und Kommunen haben geplante neue Vorgaben für Pflegeheime in Hessen einem Zeitungsbericht zufolge scharf kritisiert. Heime könnten dadurch in Schwierigkeiten geraten und die Kosten könnten für selbst zahlende Heimbewohner sowie für Sozialhilfeträger erheblich steigen, monierten der Hessische Städtetag, die Liga der Wohlfahrtsverbände sowie der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste in der Frankfurter Rundschau.

Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) will dem Blatt zufolge mit einer neuen Pflegeverordnung ab Anfang 2018 unter anderem die Mindestgröße von Einzelzimmern von zwölf auf 14 und die von Doppelzimmern von 18 auf 24 Quadratmeter ohne Vorraum und Bad anheben. "Die dadurch bei Neubauten entstehenden erhöhten Investitionskosten sind von den Sozialhilfeträgern zu finanzieren und augenblicklich in keiner Weise abzuschätzen", sagte Städtetags-Direktor Stephan Gieseler der Frankfurter Rundschau. Die Pflegereferentin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Hessen, Marion Hersina, gab zu bedenken: "Einrichtungen müssten gegebenenfalls abgerissen und neu gebaut werden." Das Sozialministerium in Wiesbaden hat der Zeitung zufolge zugesagt, alle Stellungnahmen sorgfältig zu prüfen.