Politik
Steffens fordert neue Reform: „Pflegeversicherung betrügt Heimbewohner um Leistungsrechte“
Kurz bevor am Dienstag in Nürnberg mit der ALTENPFLEGE die größte Pflegemesse Europas eröffnet wird, setzt NRW-Pflegeministerin Barbara Steffens (Grüne) noch ein pflegepolitisches Zeichen: Die Pflegereformen der Bundesregierung würden die Erwartungen enttäuschen, eine neue Reform sei erforderlich, um die Systemfehler in der unterfinanzierten Pflegeversicherung abzustellen.

"Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs war überfällig und deshalb ein richtiger und wichtiger Reformschritt. Auch die bessere Finanzierung vieler ambulanter Leistungen ist gut und richtig", teilte die NRW-Pflegeministerin mit. Schon jetzt zeige sich aber, so Barbara Steffens weitere, dass die Reform für viele Betroffene die Versprechungen, die man ihnen gemacht hat, nicht erfüllen kann und damit Erwartungen enttäusche : "Versprochen war, dass die pflegerische Versorgung besser wird, Pflegekräfte für ihre wichtige und herausfordernde Arbeit endlich mehr Geld bekommen und Pflegebedürftige und Angehörige finanziell entlastet werden. Das konnte mit dem verfügbaren Finanzrahmen nie klappen ."
Daher müsse es dringend eine weitere Reform geben, die endlich zwei Systemfehler abstellen soll, hob Steffens hervor:
"Die Kosten der medizinischen Behandlungspflege müssen bei Pflegebedürftigen wie bei allen Versicherten zu 100% aus der Krankenversicherung übernommen werden.
Als man die Pflegeversicherung vor mehr als 25 Jahren eingeführt hat und die medizinische Behandlungspflege zum Teil der Pflegeleistungen machte, waren die Voraussetzungen völlig andere als heute. Die Menschen werden heute deutlich älter und haben – vor allem wenn sie ins Pflegeheim ziehen – Jahren deutlich mehr medizinischen Unterstützungsbedarf. Dass dieser gestiegene medizinische Bedarf weiter komplett von der auf Festbeträge gedeckelten Pflegeleistung erbracht werden soll, ist der wesentliche Grund für die Überlastung des Pflegepersonals in unseren Pflegeheimen. Und es ist der Grund, warum Pflegebedürftigkeit mehr und mehr wieder zu einem Armutsrisiko wird. Denn letztlich betrügt das System die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen um Leistungsrechte, die sie als jahrelange Beitragszahler der Krankenversicherung eigentlich haben. Denn in der Pflegeversicherung führt der höhere medizinische Pflegebedarf zu höheren Kosten, die die Menschen aufgrund der gedeckelten Pflegesätze aus dem eigenen Portemonnaie zahlen müssen. Wären es Leistungen der Krankenversicherung, würden die Kosten voll übernommen.
Die Leistungen der Pflegeversicherung müssen sich an den tatsächlichen Bedarfen und Kosten orientieren.
Man bezeichnet die Pflegeversicherung zwar oft als ' Teilkaskoversicherung'. Sie ist es aber nicht. Denn anders als bei der 'Teilkasko' können sich die Versicherten nicht auf eine feste maximale Eigenbeteiligung verlassen, sondern im Gegenteil, die Leistung der Versicherung ist auf einen Maximalbetrag beschränkt. Sind Bedarf oder Kosten höher, zahlt das der Pflegebedürftige aus der eigenen Tasche. Das trifft im Moment vor allem Pflegebedürftige und Angehörige in NRW. Während in einigen Bundesländern die Leistungen der Pflegeversicherung die Kosten der Pflege in einem Pflegeheim praktisch komplett abdecken, müssen NRW-Pflegebedürftige hier oft vierstellige Beträge draufzahlen, einfach weil die Pflegesätze in den Pflegeheimen in NRW bundesweit am teuersten sind. Das hat vor allem damit zu tun, dass schon heute in NRW überdurchschnittlich viele Pflegekräfte Tariflohn erhalten. Genau das fordert die Bundespolitik ja auch, aber mit den Mehrkosten lässt man die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen dann alleine oder macht die Menschen wieder zu Sozialhilfeempfänger. Tariflohn und bessere Personalausstattung sind absolut richtig – nur muss dann die Pflegeversicherung und damit die Solidargemeinschaft auch endlich ehrlich die hierfür entstehenden Mehrkosten tragen ."
Bei den Diskussionen im Rahmen der Leitmesse ALTENPFLEGE steht die auch Bewertung der aktuellen Pflegepolitik durch die Branchenvertreter auf dem Programm.
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