Politik
Thüringen: Private Anbieter wollen Herabsenkung der Fachkraftquote
Private Pflegeanbieter in Thüringen plädieren angesichts von Personalengpässen für mehr Hilfskräfte in Pflegeheimen und -diensten. Dafür müsse die geltende Quote von mindestens 50 Prozent Fachpersonal gelockert werden, verlangte der bpa am 19. Oktober in Erfurt. Widerspruch gab es von Sozialministerin Heike Werner (Linke).

Die bislang geltende Quote von mindestens 50 Prozent Fachpersonal in den Einrichtungen müsse gelockert werden, verlangte der Dachverband bpa am Donnerstag auf einem Kongress in Erfurt. "In manchen Heimen müssen wegen der nicht erreichten Quote Betten leer stehen", sagte die bpa-Landesvorsitzende Margit Benkenstein. Eine Lockerung der Quote bedeute nicht, Pflegequalität zu senken.
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) fordert einen qualifikationsgerechten Personaleinsatz als Alternative zu den starren Bestimmungen der Fachkraftquote. Neben der künftigen Personalgewinnung wird die steigende Zahl der demenziell erkrankten Menschen zur großen Zukunftsaufgabe. Beide Bereiche waren inhaltliche Schwerpunkte der 6. Qualitätskonferenz des bpa Thüringen in Erfurt. Dort trafen sich am 19. Oktober 2017 Pflegeexpertinnen und -experten, Betreiber von Pflegeeinrichtungen und Vertreter der Kassen.
Fachkräfte seien oft überlastet, weil sie einfache Aufgaben wie den Wäschewechsel übernehmen müssten, die besser von Hilfskräften geleistet werden könnten, so Benkenstein. Betreiber von Pflegeeinrichtungen in Thüringen beklagen seit Jahren einen Mangel an Fachkräften. Vor allem das in Thüringen niedrigere Lohnniveau führt dazu, dass Pflegepersonal lieber in westlichen Bundesländern arbeitet.
Das Reservoir an Hilfskräften ist laut Verband größer als das von Fachpersonal, bei dem bis zur Besetzung einer offenen Stelle teilweise Monate vergehen. "Sie sind leichter zu bekommen", so Benkenstein. Allerdings dürfen sie wegen der eingeschränkten Qualifikation auch nicht alle mit Pflege verbundenen Arbeiten übernehmen. Zudem sollten nach Verbandsvorstellungen andere Berufsgruppen wie Logopäden (Sprachtherapeuten) in die Altenpflege einbezogen werden, um den Fachkräftemangel zu kompensieren.
Bislang kann in Thüringen von der 50-Prozent-Quote nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. Die Sozialministerin will an dieser Vorgehensweise festhalten. Sie verwies auf die zunehmenden Zahl von schwerstkranken und stark pflegebedürftigen Heimbewohnern. Damit seien auch hohe fachliche Anforderungen an das Personal verbunden, erklärte Werner. "Das bestehende Prinzip der Fachkraftquote und somit einer guten Versorgung darf nicht fiskalischen Erwägungen der Arbeitgeber untergeordnet werden." Die Entlohnung von Pflegehilfskräften liegt in der Regel unter der von Fachkräften.
In Thüringen leben zurzeit rund 46.000 Menschen mit Demenzerkrankungen. Ihre Zahl wird sich in den nächsten 15 Jahren etwa verdoppeln. Nadine Lopuszanski, Einrichtungsleiterin in Arnstadt und Vorstandsmitglied im bpa Thüringen, erläuterte: "Die physische und psychische Belastung unserer Fachkräfte ist groß. Deshalb begleiten wir sie intensiv und bieten regelmäßige Fortbildungen an.
Eine besondere Herausforderung sind spezielle Angebote auch für jüngere Menschen mit hohem Pflege- und Betreuungsbedarf. "Hier sind alle in der Pflege Tätigen gefragt, mit fundierter Fachkenntnis dazu beizutragen, passende Wohn- und Betreuungsformen zu entwickeln. Die Mitglieder des bpa sind in dieser Hinsicht bestens aufgestellt und bereit, ihr Know-how zukunftsweisend einzubringen", so Nadine Lopuszanski.
Um die Qualität in den Thüringer Pflegeeinrichtungen zu sichern, braucht es gesunde Beschäftigte und zukunftsweisende Rahmenbedingungen. Dabei nahm Margit Benkenstein auch die Bundes- und Landesregierung in die Pflicht. Sie verwies auf die vielen Gesetze der vergangenen Legislaturperiode, die die Verbesserung der Situation von Pflegebedürftigen, deren Angehörigen und der Beschäftigten in der Pflege im Fokus hatten. "Die gleiche Kraftanstrengung brauchen wir jetzt auch mit Blick auf die Einrichtungen. Sie sichern die künftige Versorgungsstruktur", so Benkenstein.
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