Politik
Vorwürfe werden schärfer: Reform der Pflegeausbildung in der Sackgasse
Es bleibt nur noch wenig Zeit: Die zähe Debatte zur Reform der Pflegeausbildung nimmt an Schärfe zu: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) wirft der Union vor, "an den schlechten Arbeits- und Lohnbedingungen der Altenpflege festhalten zu wollen". Andreas Westerfellhaus: Die Blockade in der Unionsfraktion sei "desaströs und schreit zum Himmel". NRW-Pflegeministeriun Barbara Steffens (Grüne) kontert: "In NRW boomt die Altenpflege-Ausbildung. Wäre das Gesetz von Schwesig und Gröhe nicht so schlecht, wäre der Widerstand dagegen nicht so groß."

Die Zeit für die Verabschiedung des Pflegeberufereformgesetzes im Bundestag läuft ab, die Debatte wird schärfer. Der vom Bundeskabinett bereits beschlossene Gesetzentwurf findet im Bundestag keine Mehrheit: SPD dafür, Grüne, Linke und große Teile der Unionsfraktion im Bundestag dagegen.
Dass Union und SPD sich nicht auf eine Reform der Pflegeausbildung einigen können, sei "desaströs und schreit zum Himmel", urteilt CDU-Mitglied Andreas Westerfellhaus, der Präsident des Deutschen Pflegerats im Gespräch mit der "Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)". Alles liege auf dem Tisch: "Doch die Abgeordneten ducken sich weg und beugen sich dem Druck von Interessengruppen."
Für die Parteichefs von Union und SPD (Merkel, Seehofer und Gabriel) ist das Thema entweder nicht wichtig genug oder zu heikel – beim Koalitionsausschuss vergangene Woche gelangte das Thema erst gar nicht auf die Tagesordnung.
In der politischen Debatte um den Gesetzentwurf geht es auch kaum um die inhaltlichen Fragen der pflegerischen Ausbildung. Bei den Gegnern schreckt man insbesondere vor dem gemeinsamen Widerstand von Arbeitgebern (BDA) und Gewerkschaften (Verdi) zurück. Die sind in der Politik immer noch einflussreicher als der Pflegerat.
Interessante politische Konstellationen: Verdi vs SPD, Grüne vs SPD, SPD mit Teilen der Unionsfraktion vs BDA, Teile der Unionsfraktion vs BMG und BMFSFJ.
Klar ist: Langsam wird es eng. "Wenn der Gesetzentwurf in den drei Bundestagswochen bis Ende März nicht durchgeht, ist das Projekt für diese Legislaturperiode gescheitert", verweist Westerfellhaus auf ein enger werdendes Zeitfenster bis zur Bundestagswahl. Mit dieser Hängepartie verunsichere die Politik sowohl die Pflegeeinrichtungen als auch alle, die einen Pflegeberuf ergreifen wollten.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) griff am Wochenende nochnmals in die Debatte ein und hat der CDU/CSU vorgeworfen, den vom Kabinett bereits beschlossenen Gesetzentwurf zur Reform des Pflegeberufe zu blockieren. Dies sei nicht hinnehmbar, erklärte die SPD-Politikerin in einer schriftlichen Mitteilung. "Die Union will an den schlechten Arbeits- und Lohnbedingungen der Altenpflege festhalten. Das ist mit mir und der SPD nicht zu machen."
Auch der Bundesrat hat – auf Inituative der Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen in der letzten Woche den Bundestag in einem Beschluss aufgefordert, das Gesetzgebungsverfahren um die Reform der Pflegeausbildung zügig abzuschließen. Aber auch wenn Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) als Befürworterin der generalistischen Ausbildung gilt: Sie begrüßt in ihren Reden die deutlich zunehmende Zahl von Auszubildenden in der Altenpflege, auf der Homepage wirbt ihre Gesundheitsbehörde immer noch für die Altenpflege-Ausbildung: "Ein Beruf mit Zukunft".
Auch in den Landesregierungen gibt es nicht einhellig Befürworter der Generalistik sondern durchaus fachliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf: Zu dem Vorwurf von Bundesfamilienministerin Schwesig an die Unionsfraktion im Bundestag erklärte die nordrhein-westfälische Pflege- und Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne): "Wäre das Gesetz nicht so schlecht, wäre der Widerstand dagegen nicht so groß. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Die einzig richtige Konsequenz wäre, jetzt sofort nachzubessern. Bedenken der Fachverbände müssen endlich berücksichtig werden. Die Qualifikation der künftigen Generalisten muss so angelegt sein, dass hoch spezialisierte Bereiche wie beispielsweise die Kinderkrankenpflege nicht hinten runterfallen. Aussitzen führt nicht zu mehr Akzeptanz. Ebenso brauchen wir zur Stärkung der Pflege Finanzierungssicherheit und eine gerechte Kostenverteilung. Ausbildungsbetriebe dürfen nicht überfordert werden. Sonst haben wir künftig nicht mehr, sondern weniger Pflegekräftenachwuchs. In NRW boomt die Altenpflege-Ausbildung wie in keinem anderen Bundesland. Mit einer Umlagefinanzierung, durch die alle Betriebe ihre Ausbildungskosten komplett refinanziert bekommen, konnten wir die Zahl der Auszubildenden um über 80 Prozent steigern. So, wie die Reform der Pflegeausbildung vom Bund bisher vorgesehen ist, würde dieser NRW-Erfolg zunichte gemacht."
Immer wieder werden Kompromissvorschläge vorgelegt: So sprach sich der CDU-Fraktionsvize Georg Nüßlein am Freitag in der "Welt" erneut dafür aus, eine zweijährige allgemeine Ausbildung mit einem weiteren Jahr Spezialisierung zu verknüpfen. Die beiden zuständigen Minister Gröhe und Schwesig haben das bereits klar abgelehnt. Fachpolitiker in der Union bedauern, dass sich die beiden Minister nicht kompromissbereit zeigen – auch die Fraktion sei jetzt nicht zu weiteren Zugeständnissen bereit. Die Situation ist festgefahren. Auch im BMG wachsen daher die Befürchtungen, das Gesetz werde scheitern.
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