Politik
Wahljahr 2017: DEVAP fordert Neuausrichtung der Pflegepolitik
Im beginnenden "Super-Wahljahr" 2017 muss die Pflegepolitik eines der entscheidenden Themen werden. "Die Pflege in Deutschland krankt weiter an vielen Problemen, trotz aller Reformanstrengungen der Bundesregierung", bilanziert Bernhard Schneider, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) heute in Berlin. Der DEVAP legt ein Positionspapier zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vor, dessen Inhalte nun in die politische Debatte gebracht werden. Der Schlüssel liegt in der Einführung einer echten Pflegeteilkaskoversicherung.

Der DEVAP fordert einen Kraftakt der SGB-XI-Solidargemeinschaft, nicht nur in finanzieller, sondern auch in zivilgesellschaftlicher Hinsicht. Der einzige Ausweg aus dem Dilemma von Qualitätsanspruch, Arbeitsbedingungen, Bezahlbarkeit und Wirtschaftlichkeit bestehe in einem Paradigmenwechsel.
"Durch Webfehler bei der Einführung ist die Pflegeversicherung aus dem Ruder gelaufen. Sie erreicht ihr Ziel, das Lebensrisiko Pflegebedürftigkeit abzusichern, schon lange nicht mehr. Die Strukturfehler in der Pflegeversicherung sind der Hauptgrund für
die gravierenden Probleme, mit denen ambulante und stationäre Anbieter heute kämpfen: die prekäre Personalsituation und die Unterfinanzierung der Pflegeversicherung", machte der DEVAP-Vorsitzende Bernhard Schneider heute in Berlin deutlich.
"Eine weitere Folge des bisherigen Systems sind die viel zu hohen Kosten für pflegebedürftige Menschen", erläuterte Schneider weiter. "Pflegebedürftigkeit erhöht das Armutsrisiko schon heute deutlich. Diese Entwicklung wird Betroffene immer häufiger an den Rand der Existenz bringen. Denn jede Leistungsverbesserung, jede Tariflohnsteigerung und jede zusätzliche Pflegekraft greift in das Portemonnaie der Pflegebedürftigen."
"Die Politik muss konsequent und mutig handeln, um diese Mammutaufgaben zu lösen", fordert der DEVAP-Vorsitzende. "Der DEVAP bringt sich mit einem konstruktiven Lösungsvorschlag für eine zukunftsfeste und bezahlbare Pflege in den Vorwahlkampf ein: Der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme ist eine bessere Verteilung der Finanzlasten, und zwar zugunsten der Pflegebedürftigen. Die Pflegeversicherung muss so verändert werden, dass die pflegebedingten Kosten für alle Pflegebedürftigen finanzierbar sind. Sämtliche Pflegekosten zahlt die Pflegeversicherung, die Behandlungskosten übernimmt die Krankenversicherung, und die Kosten für die Haushaltsführung der Betroffene selbst. Das wäre ein einfaches und gerechtes System, das unabhängig vom Lebensort funktionieren kann", so ein Teil der DEVAP-Vorstellungen, die auch von der Diakonie Deutschland mitgetragfen werden, wie Dr. Peter Bartmann, Leiter des Zentrums Gesundheit.Rehabilitation und Pflege des evangelischen Bundesverbandes, betonte.
Das Positionspapier hat fünf Schwerpunkte:
- Echte Pflegeteilkaskoversicherung umsetzen: Die Pflegekasse übernimmt alle notwendigen pflegebedingten Kosten und berechnet den Versicherten einen fixen, gesetzlich festzulegenden Eigenanteil. In der Folge trägt nicht mehr der Einzelne das finanzielle Pflegerisiko, sondern die Solidargemeinschaft Pflegeversicherung.
- Sektorengrenzen konsequent abbauen: Pflegebedürftige Menschen haben das Recht auf gesellschaftliche Partizipation und eine individuelle, möglichst selbstbestimmte Lebensführung – unabhängig von ihrem Wohnort, ihrem Alter oder ihren Beeinträchtigungen. Das Prinzip der Pflegeteilkaskoversicherung bietet die Grundlage für ein Pflegesystem, das unabhängig vom Wohnort funktioniert.
- Zivilgesellschaft stärker einbinden: Es muss gelingen, durch ein verbindlich finanziertes Quartiersmanagement Angehörige, freiwillig Engagierte und die Zivilgesellschaft mit ihren vielfältigen Angeboten stärker einzubinden. Die Diakonie wird ihre Erfahrung als zivilgesellschaftlicher Akteur in diese Entwicklung gern und mit Nachdruck einbringen.
- Kommunale Pflegeinfrastruktur steuern und fördern: Mit dem Teilkaskoprinzip werden die Kommunen als Sozialhilfeträger finanziell spürbar entlastet. Damit eröffnet sich der finanzielle Spielraum für eine verbindliche Planung und Steuerung der Pflegeinfrastruktur als Grundlage für eine aktive Förderpolitik im Sinne einer kommunalen Pflichtaufgabe.
- Personalsituation zukunftssicher machen: Die Pflegeteilkaskoversicherung kann Personalprobleme
nachhaltig lösen. Tariferhöhungen, bessere Personalschlüssel oder mehr palliative Betreuung bezahlen nicht mehr die Pflegebedürftigen, sondern werden von der Solidargemeinschaft getragen. Dadurch steigt die gesellschaftliche Akzeptanz der Altenpflege.
Schneider bilanziert: "Die Politik ist gefordert, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen und weitere, mutige Reformschritte für eine echte Stärkung der Pflege in die Wege zu leiten. Wer eine echte Verbesserung für Pflegebedürftige, Pflegende und Pflegeunternehmen will, muss die Pflegeversicherung strukturell so verändern, dass die pflegebedingten Kosten für alle Pflegebedürftigen finanzierbar sind – und zwar unabhängig davon, ob sie nun zu Hause, im Betreuten Wohnen oder in einem Pflegeheim leben."
Mehr zu den einzelnen Fordeungspunlkten lesen Sie in CARE INVEST 4-2017.
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