Politik

Diakonie: Zahl suchtkranker alter Menschen nimmt zu

Oft ist es ein Cocktail aus verordneten Medikamenten und Alkohol: Eine wachsende Zahl alter Menschen hat nach Einschätzung der Diakonie in Niedersachsen ein Suchtproblem. In einem landesweit aufgesetzten Modellprojekt soll gegengesteuert werden.

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Nach einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums zeigen etwa 15 Prozent der Menschen, die von ambulanten Pflegediensten oder in stationären Altenheimen betreut werden, einen problematischen Alkohol- oder Medikamentenkonsum. Grundsätzlich vertragen ältere Menschen Alkohol schlechter als jüngere, vielfach gibt es Wechselwirkungen mit verordneten Medikamenten. Eine wachsende Zahl alter Menschen hat nach Einschätzung der Diakonie auch in Niedersachsen ein Suchtproblem. In drei Regionen des Landes gibt es bereits seit 2015 ein Modellprojekt, das versucht, gegenzusteuern. Nun will die Diakonie das Projekt landesweit ausdehnen, sagte Diakoniedirektor Christoph Künkel am Mittwoch in Hannover. Dass diesem Thema bisher kaum Beachtung geschenkt worden sei, habe mit vielerlei Faktoren zu tun:

  • Die Einnahme von Suchtmitteln kann sehr viel stärker im Verborgenen stattfinden, weil Menschen, die nicht mehr berufstätig sind, einfach weniger auffallen, als Menschen, die im Erwerbsleben stehen und allein wegen ihrer Ausfälle mehr Beachtung und mehr Intervention von Seiten des Arbeitgebers fordern.
  • Folgeerscheinungen von Suchtmittelkonsum werden bei älteren Menschen eher als Folge des Alters interpretiert, als als Folge dieses Konsums, so dass häufigeres Fallen oder Rückzug aus sozialen Netzwerken eher als Folge von Gebrechlichkeit interpretiert werden.
  • Bei älteren Menschen findet häufig ein Mischkonsum statt, d. h. neben Alkohol werden auch verordnete Medikamente und frei verkäufliche Präparate kombiniert eingenommen, so dass der Rückschluss auf die Folgewirkungen nur einer Substanz schwierig ist.
  • Ältere und alte Menschen haben einen langsameren Stoffwechsel, so dass eingenommene Substanzen längere Zeit im Körper verbleiben und häufig bis zu ihrem endgültigen Abbau bereits das nächste Präparat eingenommen wird. Der hierdurch entstehende Sockel kann sich im Laufe der Zeit immer weiter erhöhen, so dass Wechsel- und Nebenwirkungen verschiedener Substanzen kaum einzuschätzen sind.

Bei dem zweijährigen Projekt in stationären und ambulanten Altenpflegeeinrichtungen im Raum Osnabrück, Celle sowie Diepholz/Sulingen ging es darum, kirchliche und diakonische Einrichtungen aus den Bereichen Alten­hilfe/Al­tenpflege, Suchtberatung und Suchtselbsthilfe, Kirchenkreissozialarbeit in diesem Netz zu integrieren und darüber hinaus weitere Agierende wie Ärzte, Apotheker, Verantwortliche aus Kirchengemeinden und Krankenhaus­seelsorger mit einzubinden. Ziel dieser Projekte ist zum einen, sich für das Thema Sucht sensibilisieren zu lassen und Möglichkeiten der Intervention beim Verdacht von Abhängigkeit miteinander abzustimmen. Insbesondere steht der regelmäßige fachliche Austausch zwischen ambulanter und stationärer Altenpflege und Suchtberatung im Fokus stehen. Idealerweise lassen sich auch die Betroffenen im Netzwerk ansprechen, die noch in ihrem sozialen Umfeld leben und mit wenig oder noch keiner Betreuung bzw. Pflege selbstständig ihr Leben gestalten können..