Politik
Mindestlohn in der Pflege steigt – aber viele liegen schon deutlich darüber
Der Pflegemindestlohn steigt ab Januar 2018 auf 10,55 Euro pro Stunde im Westen und 10,05 Euro im Osten. Anfang 2019 und 2020 wird er nochmals erhöht. Das Bundeskabinett in Berlin hat am Mittwoch die entsprechende Verordnung des Bundesarbeitsministeriums beschlossen. Kritik aus den Fachverbänden gibt es trotztdem.

Ab 1. November 2017 gilt für die Pflegebranche bundesweit ein einheitlicher Mindestlohn. Er beträgt 10,20 Euro pro Stunde in den alten Bundesländern, 9,50 Euro in den neuen Bundesländern. Ab Januar 2018 steigt der Pflegemindestlohn dann auf 10,55 Euro pro Stunde im Westen und 10,05 Euro im Osten. Das sieht die Dritte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche vor. Erlassen wird sie von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD). Die Verordnung tritt zum 1. November 2017 in Kraft und gilt bis April 2020.
Die Verordnung, und damit der Mindestlohn, gilt bundesweit – auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Pflegebranche, ambulant wie stationär, nicht jedoch in Privathaushalten. Dort gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde. Das BMAS legt die Mindestentgelte für die Pflegebranche, den Pflege-Mindestlohn, fest. Im Unterschied zu anderen Branchen wird der Mindestlohn für die Pflege nicht von den Tarifpartnern ausgehandelt, sondern von einer Kommission, die paritätisch besetzt ist. Das eigenständige kirchliche Arbeitsrecht hatten diesen Sonderweg erforderlich gemacht. Grundlage ist der Vorschlag einer Kommission, der Pflegemindestlohn-Kommission. Ihr gehören neben Vertretern von Verdi und der nichtkirchlichen Arbeitgeber (bpa/AGVP, Kommunale) auch Dienstgeber und Dienstnehmer von Caritas und Diakonie an. In der Altenpflege gilt bereits seit August 2010 ein spezieller Pflegemindestlohn. Er galt zunächst nur für stationäre Einrichtungen. Seit 1. Januar 2015 gilt er auch für die ambulante Krankenpflege. "Der über dem gesetzlichen Mindestlohn liegende Pflege-Mindestlohn unterstreicht die Bedeutung der Pflege", kommentiert die Bundesregierung. Für eine gute Pflege brauche es gute Arbeitskräfte. Die lassen sich nur gewinnen, wenn neben der gesellschaftlichen Anerkennung die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung stimmen. Die Lohnuntergrenze in der Pflege soll laut BMAS rund 908 000 Beschäftigte betreffen – faktisch werden sie aber wohl nur für Pflegehilfskräfte eine Verbesserung bringen Das Ministerium verwechselt wohl Geltungsbereich und Wirksamkeitsreichweite. Denn Mindestlöhne sind nur eine Grenze nach unten. Wer gut ausgebildete Fachkräfte sucht, muss schon heute mehr bieten als den künftigen Mindestlohn. Denn Pflegekräfte sind gefragt. Der Mangel an Fachkräften ist hoch.
Angestellte Pflegefachkräfte werden in der Regel höher vergütet, beispielsweise nach Tarifvertrag. Die Höhe tariflicher Entgelte vereinbaren die Tarifvertragsparteien. In welche Entgeltgruppe die einzelne Pflegekraft dann eingestuft wird, hängt von mehreren Faktoren ab, etwa dem konkreten Aufgabengebiet, der Qualifikation und Leitungsverantwortung. Zudem fallen in der Pflege oft Zulagen durch Schichtdienste an.
bpa Arbeitgeberpräsident und Pflegemindestlohnkommissionsmitglied Rainer Brüderle erklärte zum Kabinettsbeschluss: "Das ist eine gute Nachricht für die vom Mindestlohn betroffenen Pflegekräfte. Dies schafft Planungssicherheit für alle Arbeitgeber in der Pflegebranche. Noch schöner wäre dieser Beschluss, hätte das Bundesarbeitsministerium heute zeitgleich Pläne vorgelegt, wie es die Benachteiligung von professionellen Pflegediensten und Pflegeheimen gegenüber dem ‚grauen‘ Pflegemarkt abbauen will. 1,4 Millionen pflegebedürftige Menschen erhalten Pflegegeld und werden in der Regel zu Hause von Angehörigen gepflegt. 1,5 Millionen Menschen werden von Pflegebetrieben zu Hause oder im Heim betreut. Für sie wollen wir faire Rahmenbedingungen. Deshalb ist es an der Zeit, dass die Arbeitsmarkt- und die Gesundheitspolitik den ‚grauen‘ Pflegemarkt mehr in den Blick nehmen. Warum wird hier nicht der Pflegemindestlohn konsequent durchgesetzt, an den sich tausende Pflegeeinrichtungen in Deutschland halten? Zudem kann es nicht sein, dass Pflegedienste und Pflegeheime mit immer mehr bürokratischen Regelungen und Kontrollen überzogen werden, aber der Staat im privaten Bereich beide Augen ganz fest zudrückt. Der Staat nimmt hier stellenweise Betreuung ohne Zulassung oder ausreichende Qualifikation in Kauf und misst dabei zum Schaden der Pflegebedürftigen mit zweierlei Maß."
Der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler: "Der neue Mindestlohn für Pflegehilfskräfte liegt genau wie der gescheiterte Mindestlohn für Fachkräfte deutlich unter den üblicherweise gezahlten Tariflöhnen. Auch wenn er für einige Pflegehilfskräfte tatsächlich am Ende des Monats mehr Geld bedeutet, ändert sich für die meisten Pflegekräfte wenig. Möchte man deren Situation insgesamt und die Attraktivität des Berufes verbessern, braucht es einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Soziales. Aus Sicht der Arbeiterwohlfahrt benötigt der gesamte soziale Bereich neue, klare Regelungen. Darüber kann auch ein höherer Pflegemindestlohn nicht hinweg täuschen."
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