Politik

Paritätischer Verband kritisiert bremsende Bürokratie

Um dem Mangel an Pflegekräften zu begegnen, werden in Thüringen nach Meinung des Paritätischen nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. "Bei der Ausbildung von ausländischen Fachkräften für Pflegeberufe gibt es eine Reihe von bürokratischen und formalen Hindernissen, die es schwer machen", sagte Stefan Werner, Landesgeschäftsführer des Paritätischen Verbands Thüringen, der Deutschen Presse-Agentur.

- Angesichts eines drohenden Notstandes sind die bürokratischen Hürden zur Gewinnung ausländischer Kräfte nach Meinung von Experten zu hoch.Foto: Archiv

Werner sieht in ausländischen Fachkräften sowie in der Ausbildung von Geflüchteten zu Fachkräften viel Potenzial, um einem Pflegenotstand entgegenzuwirken. Der Prozess vom ersten Ansprechen bis zur Ausbildung eines Flüchtlings brauche jedoch viel Zeit. Auf diesem Weg gebe es viele Stolpersteine: von der Sprache über kulturelle bis zu formalen und bürokratischen Hemmnissen.
Vor allem letztere sind nach Meinung von Werner vermeidbar. Ein praktisches Problem sei die Anerkennung von Zeugnissen. Die Behörden verlangten die Vorlage von Original-Zeugnissen. Fotos der Urkunden, die sich die Betroffenen aus den Herkunftsländern schicken ließen, würden nicht anerkannt. Dokumente aus Ländern wie Syrien per Post zu schicken, sei aber oft unmöglich. Durch solche Hürden blieben viele Ressourcen ungenutzt.
Die Zukunftsprognosen für die Pflege in Thüringen sind – ähnlich wie in anderen Bundesländern – alarmierend: Nach aktuellen Berechnungen wird die Zahl der Pflegebedürftigen im Freistaat von derzeit rund 94 000 bis 2030 auf 108 000 steigen. Um diese Entwicklung auszugleichen, wären 8000 Pfleger nötig. Durch die demografische Entwicklung sinkt zudem die Zahl der Familienangehörigen, die Verwandte zu Hause pflegen können.
Eines der wichtigsten Instrumente zur Gewinnung zusätzlicher Pflegekräfte ist nach Einschätzung des Paritätischen die dreijährige Umschulung, die von der Bundesagentur für Arbeit vollständig gefördert wird. «Diese Option wird von den Einrichtungen und Diensten sehr wertgeschätzt», sagte Werner. Darüber hinaus gebe es im Freistaat weitere Projekte, um neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Sozialministerin Heike Werner (Linke) verweist auf Erfolge wie steigende Lohnniveaus, höhere Auszubildendenzahlen und Projekte zur Vermeidung von Ausbildungsabbrüchen. Im Schuljahr 2015/16 hätten fast alle der 146 betreuten Pflege-Azubis ihre Ausbildung fortgesetzt.
Ob diese Bemühungen die drohenden Defizite schließen können, ist nach Auffassung des Paritätischen fraglich. Aus Sicht des Verbands muss die Lücke zu den lohnstarken Bundesländern weiter geschlossen werden, um Thüringen als Arbeitsort attraktiver zu machen. Auch das Image des Pflegeberufes müsse verbessert und die tägliche Arbeit durch intelligente Arbeitszeitmodelle, Digitalisierung und weniger Bürokratie bei der Pflegedokumentation einfacher werden.
Dazu gebe es bereits ein erfolgreiches Modellprojekt im Freistaat. Letztlich sei auch die ausreichende Finanzierung wichtig. "Gute Pflege gibt es nicht zum Nulltarif. Aber wir sind auf dem richtigen Weg und brauchen einen langen Atem", sagte Stefan Werner.
Aktuell gibt es in Thüringen dem Paritätischen zufolge zwei Projekte, die gezielt Flüchtlinge in soziale Berufe bringen sollen. Im Rahmen der "Flüchtlingskoordinatorinnen für Unternehmen der Sozialwirtschaft" wurden und werden 70 Geflüchtete betreut. Zudem gibt es Projekte des Paritätischen, die die Öffnung von Unternehmen für geflüchtete Menschen unterstützen.