Politik

Parteien im Regierungs-Check Pflege

Passender hätte der Termin nicht sein können. Ein Tag nach der Ernennung von Jens Spahn zum Gesundheitsminister wurden die Pflegexperten von fünf im Bundestag vertretenen Parteien zum Regierungs-Check Pflege geladen. Gastgeber war der DEVAP (Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege).

- Kommt bald die tarifliche Anerkennung der Häuslichen Krankenpflege? Politischer Regierungs-Check Pflege in Berlin.Foto: Loncaric

Pflege ist nicht mehr nur ein Randthema – es entwickelt sich zu einem der Hotspots in der Gesundheitspolitik. Das hat nicht zuletzt der Bundestagswahlkampf eindrücklich gezeigt, bei dem die beiden Kanzlerkandidaten von Union und SPD mit dem Thema konfrontiert wurden und darauf ein medienwirksames Echo erfolgte.
Im Vorfeld warb der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf dem Deutschen Pflegetag am Donnerstag in Berlin um Unterstützung und für mehr Optimismus für die Zukunft der Pflege. Zugleich dämpfte er an seinem ersten Arbeitstag als Minister zu hohe Erwartungen. Alle wollten Verbesserungen in der Pflege, sagte Spahn, doch müssten diese auch finanzierbar sein. Er warb für "einen positiven Grundton" in den anstehenden Auseinandersetzungen und kündigte an: "Wir werden auch miteinander ringen müssen."

Als neuen Pflege- und Patientenbeauftragten der Bundesregierung will Spahn den früheren Vorsitzenden des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, vorschlagen. Westerfellhaus kommt wie Spahn aus Nordrhein-Westfalen. Er war acht Jahre lang Präsident des Pflegerats, etablierte den Deutschen Pflegetag als zentrales Branchentreffen und trug entscheidend dazu bei, die Interessen der Pflegebeschäftigten stärker in den politischen Fokus zur rücken.
Spahn sagte, die Pflege sei ein zentrales Thema der kommenden dreieinhalb Jahre. Er wolle, dass die Pflegekräfte die Verbesserungen am Ende der Legislaturperiode auch spürten. Er sprach sich für die Einrichtung weiterer Pflegekammern als Interessenvertretung der Pflegenden aus und erklärte, sich trotz erwartbarer Schwierigkeiten für einen allgemeinverbindlichen Tarif einsetzen zu wollen. Spahn kündigte an, als erstes die Verordnung zur Reform der Pflegeberufe auf den Weg zu bringen. Die von Union und SPD schon in der vergangenen Legislaturperiode beschlossene, weitgehend einheitliche Ausbildung von Alten- und Krankenpflegekräften soll ihnen mehr Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen.
Unter dem Titel "Regierungs-CHECK PFLEGE – Was nach den Wahlversprechen bleibt" lud der DEVAP die gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen abends zum Gespräch. Bis auf die AfD waren alle Parteien der Einladung von Dr. Bodo de Vries, DEVAP Vorsitzender und stellv. Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Johanneswerks, gefolgt.

"Wir werden zwischen 120 und 140000 Menschen in die Pflege bringen müssen", sagte Erich Irlstorfer, MdB – pflegepolitischer Sprecher für Pflegeberufe und Qualität in der Pflege der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und fügte hinzu: "Den finanziellen Rahmen kriegen wir hin". Es werde entscheidend sein, dass "wir die Menschen für den Beruf Pflege begeistern können". Zu ordentlichen Rahmenbedingungen gehöre auch die Bezahlung. Angesprochen auf die 8.000 angekündigten neuen Stellen in der Pflege sagte Heike Baehrens, MdB – pflegepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, dass diese über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden sollen. Zudem plädierte sie dafür, die vereinbarten Maßnahmen zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen und alle Partner an den Tisch zu bringen. Gerade von den Ländern und Kommunen forderte sie mehr Bereitschaft.

Nicole Westig, MdB – pflegepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, schlug vor, Flüchtlinge für die Pflege zu qualifizieren. Dafür sei aber die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes wichtig, so Westig. Pia Zimmermann, MdB – pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE, kritisierte den Koalitionsvertrag als "einen Flickenteppich von Einzelmaßnahmen". Es gebe kein Finanzierungskonzept und kein Paradigmenwechsel, dass Pflege auch menschenwürdig werde. "Wir haben keine regelhafte Dynamisierung. Pflegeheime werden zu Renditeobjekten. Auf welche Kosten passiert das? Darauf wird keine Lösung geboten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Pflege nicht krank macht. Wir müssen an der Attraktivität des Berufs arbeiten. Es muss eine Personalbemessung her", so Zimmermann. Erich Irlstorfer verteidigte die privaten Betreiber und Investoren mit der Frage, ob Pflege keinen Gewinn erwirtschaften dürfe. Zudem seien Investitionen notwendig, um den Bedarf zu decken.

Auf die Frage, woher die Fachkräfte kommen sollen entgegnete Irlsdorfer: "Es ist notwendig ihnen eine Perspektive zu bieten, durch u.a. die Durchlässigkeit der Ausbildung". Zudem sei es wichtig, "dass wir eine ordentliche Bezahlung hinkriegen". Seine Forderung: "Wir müssen die Tariflöhne ordentlich anpassen".
Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen, forderte "mehr Menschen von der Teilzeit aufstocken zu lassen sowie die Weiterbildung ausgestiegener Fachkräfte und Weiterqualifizierung von Pflegehelfern. "Wir sollten uns nicht einbilden, dass alles jetzt billiger wird", so die Grünen-Politikerin.

Bodo de Vries verwies auf die "Systemungerechtigkeit von ambulant und stationär" worauf sich Baehrens zu Wort meldete. Die Systemungerechtigkeit in Richtung ambulant ziehe sich bis heute durch. Das entspreche aber auch den Wünschen der Betroffenen. Das werde im Koalitionsvertrag mit dem Einführung eines Entlastungsbudgets noch verstärkt. Zudem sei die  "tarifliche Anerkennung der Häuslichen Krankenpflege wie in der stationären Pflege politischer Wille".
Zur Frage, wann die neue Prüfungsordnung komme, waren sich die Beteiligten einig, dass dies noch vor dem Sommer geschehen müsse unter Berücksichtigung der Bundesratstermine. "Das wir SPAHN-nend" fügte Irlsdorfer schmunzelnd hinzu.