Politik

Wahlkampf: Die Pflege in der Wahlarena

Jetzt reden alle über Pflege: In der ARD-Sendung "Wahlarena" versprach SPD-Herausforderer Martin Schulz unter anderem, im Fall eines Wahlsieges seiner Partei in den ersten 100 Regierungstagen einen Kurswechsel in der Pflegepolitik einzuleiten. "In der Altenpflege wird die Würde des Menschen mit Füßen getreten in vielen Fällen." Nötig seien mehr Personal in der Pflege, eine bessere Bezahlung der Pfleger und mehr Pflegeplätze.

- Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat, will mehr Personal in der Pflege, eine bessere Bezahlung der Pfleger und mehr Pflegeplätze erreichen.Foto: Susie Knoll/SPD

Auch die Grünen sprachen sich dafür aus, mehr Pflegekräfte einzustellen und sie besser zu bezahlen. «Wir brauchen mehr Pflegekräfte. Deswegen haben wir gesagt, 25 000 in einem Sofortprogramm», sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt im ARD-«Morgenmagazin». "Wir brauchen mehr und bessere Bezahlung."

Bessere Arbeitsbedingungen sind nach Ansicht des Deutschen Pflegerates Voraussetzung dafür, kurzfristig gegen den Personalnotstand in der Pflege anzugehen. Der Präsidenten des Pflegerates, Franz Wagner, sagte im Deutschlandfunk, es gebe Zehntausende ausgebildete Pflegekräfte, die den Beruf aufgrund der hohen Belastung nicht mehr ausübten. Ein weiteres "riesiges Potenzial" sei die "wahnsinnig hohe Teilzeitquote in der Pflege" von 60 bis 70 Prozent. Wenn einzelne Pflegende mehr Stunden arbeiten würden, wäre schon einiges erreicht, erläuterte Wagner. Ausländische Pflegekräfte könnten hier nur eine geringe Entlastung bringen.

 In den stationären Pflegeeinrichtungen gebe es im Moment zwischen den Bundesländern erhebliche Unterschiede bei der Personalausstattung. "Und es ist eigentlich nicht einzusehen, warum Menschen in Bayern oder Baden-Württemberg mehr Pflege brauchen als Menschen in Niedersachsen oder Brandenburg", sagte Wagner. Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff der Bundesregierung sei "ein sehr großer Fortschritt erzielt worden". Hier würden endlich Menschen einbezogen, die an einer Demenz leiden, sagte Wagner.

Aufgrund des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes ist die Zahl der Leistungsempfänger seit Jahresbeginn überproportional gestiegen. Bei den Pflegekassen waren vergangenes Jahr 2,75 Millionen Männer und Frauen registriert. Ende Juni 2017 waren es 3,1 Millionen und damit 350 000 Menschen oder 12,9 Prozent mehr. Das geht aus einer Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervor, die der "Passauer Neuen Presse" vorliegt.

Der Wechsel zu Jahresbeginn in ein neues Bewertungssystem hatte einen Sondereffekt bewirkt, weil seither Demenzerkrankte gleichberechtigt in die Leistungen einbezogen werden. Schätzungen waren davon ausgegangen, dass allein aufgrund dieses Effektes die Zahl in 2017 um 200 000 ansteigt. Hinzu kommen dann noch die Menschen, die in diesem Jahr neu pflegebedürftig werden. Deren Zahl lag in den Jahren zuvor jeweils zwischen 100 000 und 150 000.

Das Gesundheitsministerium geht auch davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2030 auf rund 3,6 Millionen steigt. Das alternde Deutschland braucht demnach in den nächsten 10 bis 20 Jahren pro Jahr zusätzlich etwa 20 000 Pflegekräfte.

Schlecht bezahlt wird vor allem in der Altenpflege. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Patientenschutz liegt in Deutschland das mittlere Entgelt (Median) für Gesundheits- und Krankenpfleger bei 3240 Euro brutto, wobei die Spanne von Region zu Region zwischen 2753 Euro und 3705 Euro liegt. Für Altenpfleger liegt das mittlere Entgelt bei 2621 Euro bei einer Spanne von 2217 Euro bis 3148 Euro. Wobei es deutliche Unterschiede gibt zwischen Ost und West aber auch innerhalb der alten Bundesländer.

Wagner rechnet damit, dass die Kosten für mehr Personal und bessere Gehälter – in der ambulanten und stationären Pflege, aber auch bei der Pflege im Krankenhaus – in die Milliarden gehen. Da müsse in den Haushalten von Bund und Ländern entsprechend umgeschichtet werden. Zudem sollte man die Überschüsse bei den Krankenkassen im Auge haben.

Die Bundesregierung hat mit den Pflegereformen eine Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrages von 2,05 auf 2,55 beschlossen. Das soll jährlich mehr als 5 Milliarden Euro mehr bringen. Der Vorstand der Patientenstiftung, Eugen Brysch, sagte, "mit den derzeit staatlich vereinbarten Leistungen aus der Pflegeversicherung ist das nicht zu stemmen. Es muss also eine Erhöhung um mindestens 25 Prozent geben", was einem weiteren Anstieg des Beitragssatzes um 0,65 Prozentpunkten entspräche.