Politik

Laumann lockert Einzelzimmerquote und erntet Kritik

Kommen jetzt die "NRW-Kurzzeithostels"? Ab August 2018 müssen in Nordrhein-Westfalen in den Seniorenheimen 80 Prozent der Zimmer als Einzelzimmer angeboten werden. Für Einrichtungen der Kurzzeitpflege sind Ausnahmen möglich. Das regelt ein neuer Erlass des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums.

- Laumanns Erlass bietet Lockerungen der Einzelzimmerquote für die Kurzzeitpflege.Foto: MAGS.NRW

Minister Karl-Josef Laumann geht es um Menschen, "bei denen vorübergehend keine häusliche Pflege möglich ist. Für sie brauchen wir in dieser besonderen Situation auch besondere Angebote, die sie und ihre Angehörigen spürbar entlasten. Dazu sind mehr Plätze in der Kurzzeitpflege nötig. Mit dem Erlass haben wir nun einen pragmatischen Anreiz für die Träger, mehr Plätze zu schaffen. Anders als bei der stationären Dauerpflege geht es bei der Kurzzeitpflege um eine kurze Verweildauer in den Einrichtungen. Deshalb ist es richtig, ähnliche Standards wie in den Krankenhäusern zu ermöglichen." 
 
Mit der Einzelzimmerquote, die im Jahr 2003 erstmals als Vorgabe gesetzt wurde und im Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) festgeschrieben ist, sollen bestehende Doppelzimmer sukzessive reduziert werden. Ab 2018 sind außerdem nur noch direkt vom Zimmer aus zugängliche  Einzelbäder oder maximal von zwei Zimmern aus nutzbare Bäder  erlaubt. "Wir schützen mit diesem Angebot auch die Privat- und Intimsphäre der zu pflegenden Menschen", sagt Laumann. Das Recht auf ein eigenes Zimmer komme aber keiner Pflicht gleich, es seien weiter Wohneinheiten für zwei Personen zulässig.
 
Laumann wies darauf hin, dass durch die Reform der Pflegeversicherung auf Bundesebene die Kurzzeitpflege mit besseren Finanzierungsbedingungen ausgestattet worden ist: "Ich habe mich bereits in Berlin sehr dafür eingesetzt, dass sich der Rahmen für die Kurzzeitpflege verbessert. Als Landesminister werde ich mich nun darum kümmern, dass die notwendigen Plätze dann vorhanden sind, wenn sie gebraucht werden. Als ersten Schritt lockere ich deshalb für die Einrichtungen der Kurzzeitpflege die Anforderungen im Wohn- und Teilhabegesetz." Konkret bedeutet das: Träger von bestehenden Einrichtungen, die ausschließlich Kurzzeitpflegeplätze anbieten, können nun auf Antrag dauerhaft von der Einzelzimmerquote befreit werden. Zudem gibt es hinsichtlich der Ausstattung Erleichterungen: Einrichtungen der Kurzzeitpflege müssen die Regelung nicht umsetzen, dass nur noch direkt vom Zimmer aus zugängige Einzelbäder oder maximal von zwei Zimmern aus nutzbare Bäder erlaubt sind. 
 
Zudem können Einrichtungen der vollstationären Dauerpflege nach dem 1. August 2018 Doppelzimmer, die bei Beachtung der 80-Prozent-Einzelzimmerquote nicht mehr als Doppelzimmer genutzt werden könnten, ebenfalls für die Kurzzeitpflege nutzen. Diese Nutzung ist aber ausschließlich auf dieses wichtige Angebot beschränkt und bis Mitte 2021 befristet. Menschen, die dauerhaft in der Einrichtung gepflegt werden, dürfen dort nicht untergebracht werden.

Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) Christof Beckmann kritisierte die Entscheidung: "Diese Maßnahme ist ein Pflästerchen für einen Intensivpatienten. Der gesetzlich verordnete Platzabbau durch die nordrhein-westfälische Pflegepolitik hat so schwere Folgen für die Versorgungslandschaft, dass diese kleine Befreiung ohne erkennbare Wirkung sein wird. Sie ist zudem in ihrer konkreten Ausgestaltung nur für wenige Einrichtungen umsetzbar. So kann Minister Laumann die Kurzzeitpflege in NRW nicht sichern. Vielmehr werden durch die Einzelzimmerquote landesweit viele Pflegeheime gezwungen sein, ihre Kurzzeitplätze abzubauen. Damit wird die Wahlfreiheit der Pflegebedürftigen eingeschränkt. Auch die Angehörigen der pflegebedürftigen Menschen werden belastet, wenn dieses notwendige Entlastungsangebot verschwindet. Wahr ist auch: Die drohende Situation, dass gut 20 Prozent der Pflegeheime im Land die Einzelzimmerquote im Jahr 2018 nicht erfüllen werden, hat die Politik zu verantworten, weil die Finanzierung der Mietverpflichtungen für die Pflegeheime nicht gesichert ist. Sie hat jahrelang mit widersprüchlichen Signalen und einem chaotischen Gesetzgebungsprozess zum Altenpflegegesetz die Branche im Unklaren gelassen. Die einzig logische Konsequenz wäre ein echter Neustart der Pflegepolitik mit verlässlichen Rahmenbedingungen und einer angemessen verlängerten Frist zur Anpassung der Infrastruktur. Nur wenn die Einrichtungen ihre Mietverpflichtungen refinanziert wissen, können sich Pflegebedürftige und deren Familien auch darauf verlassen, vor Ort eine gesicherte pflegerische Versorgung zu finden."