Recht

Prozess um Abrechnungsbetrug durch kriminelle Pflegedienste beginnt

Es geht um einen Schaden in Millionenhöhe, und die Anklageschrift ist so dick, dass zwei Aktenordner gebraucht werden: Am Düsseldorfer Landgericht beginnt heute ein in jeder Hinsicht umfangreicher Prozess wegen Abrechnungsbetrugs in der Pflege, unter Mitwirkung vieler Patienten. Und es geht um Geldwäsche: Über Scheinfirmen sollen viele Millionen Euro aus Pflegediensten herausgezogen worden sein.

- Staatsanwaltschaft Düsseldorf und das Landeskriminalamt NRW haben Abrechnungsbetrug in der Pflege sowie Geldwäsche über Pflegedienste ins Visier genommen. Heute beginnt der Prozess in Düsseldorf.

Düsseldorf (dpa/lnw) – Der Prozess ist in jeder Hinsicht beachtlich. Der größte Saal im Landgericht wird benötigt. Neun Angeklagte müssen sich in dem Strafprozess wegen gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Betrugs sowie wegen Geldwäsche verantworten. 

"Nach vorsichtigen Schätzungen", so die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, betrage der entstandene Schaden zwischen 4,7 und 8,5 Millionen Euro. Die Angeklagten sollen bei Krankenkassen und Sozialämtern Geld für nicht erbrachte Leistungen ergaunert haben.

Bei dem dem Verfahren handelt es sich möglicherweise nur um einen Teil großangelegter Betrügereien in der Pflege. Am 20.September 2016 waren Polizisten in der Sache zu einer bundesweiten Razzia ausgerückt. 108 Objekte wurden durchsucht, rund 500 Polizisten, Staatsanwälte, Zöllner und Steuerfahnder waren im Einsatz. Im Rahmen der Maßnahmen sind umfangreiche Beweismittel sichergestellt worden. Insgesamt wurden mehrere hundert Umzugskartons mit Akten und etwa 70 Terabyte an digitalen Daten sichergestellt. Zwei unbrauchbar gemachte Langwaffen, Typ Kalaschnikow, sowie zwei weitere halbautomatische Waffen mit entsprechender Munition wurden ebenfalls sichergestellt. Letztgenannte werden derzeit kriminaltechnisch untersucht.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hatte den Pflegemarkt in Deutschland als "Geschäftsfeld der organisierten Kriminalität" bezeichnet. Die Spur führe eindeutig nach Osteuropa.

Das Ermittlungsverfahren richtete sich gegen mehr als 200 Beschuldigte. Diesen wurde vorgeworfen, insbesondere in den Jahren 2015 bis 2016 in betrügerischer Absicht und organisierter Form tatsächlich nicht erbrachte ambulante Pflegeleistungen abgerechnet beziehungsweise dazu Hilfe geleistet zu haben. Die Abrechnungen erfolgten durch mehrere Pflegedienste. Erste Ergebnisse deuteten darauf hin, dass Gelder in Höhe von 7 Millionen Euro über mehrere Scheinfirmen aus den Pflegediensten herausgezogen worden sind. Beteiligte Pflegedienste sind in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen ansässig. Beschuldigt sind auch Patienten und Pflegedienstdienstmitarbeiter. Im Rahmen der Ermittlungen wird zudem geprüft, ob Pflegedienstmitarbeiter illegal beschäftigt wurden.

Die überwiegend russischsprachigen Patienten seien oft eingeweiht gewesen, viele hätten mitkassiert, sagte Staatsanwältin Petra Szczeponik kurz vor Prozessbeginn: Mal in Form eines Taschengelds, mal in Gestalt einer Putzfrau, für deren Einsatz teure Kompressionsstrümpfe samt regelmäßigem Anziehen abgerechnet worden seien

Gegen drei Hauptbeschuldigte, eine deutsch-ukrainische Staatsangehörige, eine deutsche Staatsangehörige und einen deutschen Staatsangehörigen, konnten die vorliegenden Haftbefehle vollstreckt werden. Der vierte Hauptbeschuldigte, ein deutscher Staatsangehöriger, wurde aufgrund der guten internationalen Zusammenarbeit am Montag, den 7. November 2016 in Moskau verhaftet. Zielfahnder des LKA NRW hatten über den BKA-Verbindungsbeamten den entscheidenden Hinweis aus der Ermittlungskommission an die Moskauer Polizei gegeben.

 Die Stiftung Patientenschutz fordert, Pflegeleistungen elektronisch abzurechnen und eine lebenslange Patientennummer einzuführen, um Doppelabrechnungen zu vermeiden. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Regelungen nach Bekanntwerden des Verdachts bereits verschärft worden seien.

  • Um das umfangreichen Verfahren jetzt einzugrenzen, ist es auf die Jahre 2013 bis 2016 beschränkt sowie auf 106 Patienten. Dabei soll ein Schaden von 2,2 Millionen Euro entstanden sein. Bislang hat das Landgericht 27 Termine bis kurz vor Weihnachten geplant.
  • Hier die Mitteilung des LKA NRW zur Razzia im September 2016