Recht
Vorwurf gegen Krankenkassen: Preis vor Qualität?
Mehrere Krankenkassen stehen im Verdacht, bei der Versorgung ihrer Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln zu sehr auf den Preis und zu wenig auf die Qualität zu schauen. Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ermittelt die Aufsicht gegen mehrere große Ersatzkassen. "Gegenstand der aufsichtsrechtlichen Prüfung sind Verträge zur Versorgung mit Beatmungs-, Atemtherapiegeräten und zur Stomaversorgung", sagte der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Frank Plate, dem Blatt. Der Bundestag hatte erst im Februar 2017 das Heil- und Hilfsmittelrecht reformiert, nachdem es Vorwürfe gegeben hatte, die Kassen würden beim Einkauf von Erwachsenenwindeln Preisdumping betreiben und ihre Patienten mit minderwertigen Produkten versorgen.

Krankenkassen schreiben Hilfsmittel in großem Stil aus, um die Aufträge können sich der Sanitätsfachhandel oder Hersteller bewerben. Die Kassen versprechen sich davon erhebliche Einsparungen. Plate hält die Ausschreibungen der Barmer Ersatzkasse für Beatmungsgeräte von Patienten mit nächtlichen Atemstörungen (Schlafapnoe) für "nicht zweckmäßig". Desselbe gilt aus seiner Sicht für die Ausschreibungen der DAK für Inkontinenzprodukte. Auch der CDU-Gesundheitspolitiker Roy Kühne zweifelt die Rechtmäßigkeit der Ausschreibungen dem Bericht zufolge an und hat das Bundesversicherungsamt eingeschaltet. Kühne kritisiert demnach die Festlegung, wonach der Preis das entscheidende Kriterium beim Zuschlag sein soll. Im Gesetz sei festgelegt, dass der Preis nur zu 50 Prozent in die Vergabe einfließen dürfe.
Die Kosten der gesetzlichen Krankenkassen für Heil- und Hilfsmittel sind auch 2016 deutlich gesteigen. Allein bei der Barmer überschritten die Gesamtausgaben dafür erstmals die Schwelle von einer Milliarde Euro. Das geht aus dem aktuellen Barmer Heil- und Hilfsmittelreport 2017 hervor, der am 4. Januar vorgestellt wurde. Demnach stiegen die Ausgaben für Hilfsmittel, also für medizinische Stützstrümpfe, Windeln bei Blasenschwäche oder Prothesen und Hörgeräte, um rund neun Prozent, das entspricht einem Zuwachs von rund 84 Millionen Euro. Bei den Heilmitteln, also bei Verschreibungen für Physiotherapie oder Sprechunterricht bei Sprechstörungen, stiegen die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um etwa drei Prozent, ein Plus von rund 26 Millionen Euro. Dabei blieb die Anzahl der Versicherten, die Heil- und Hilfsmittel erhielten, nahezu identisch.
Allerdings gebe es deutliche regionale Unterschiede, erläuterte Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. In der Physiotherapie, dem mit Abstand größten Block, seien die Ausgaben je Versicherten 2015 und 2016 um jeweils fast fünf Prozent gestiegen. Die Spannbreite je Bundesland reichte 2016 den Angaben zufolge von 50 Euro je Versicherten in Bremen bis zu 81 Euro in Sachsen und rund 82 Euro in Berlin.
Auffälligkeiten gebe es auch bei der Versorgung der Versicherten selbst. So erhielten Frauen häufiger als Männer Hilfsmittel (29 gegenüber 22 Prozent). Bei den Heilmitteln ist der Unterschied noch größer. Hier bekommen 26 Prozent der Frauen, aber nur 17 Prozent der Männer eine Verordnung. "Heil- und Hilfsmittel sind ein wichtiger Teil der medizinischen Versorgung. Umso wichtiger ist, dass allein die medizinische Notwendigkeit und nicht regionale Besonderheiten die Verordnung von Heilmitteln wie Physiotherapie bestimmen", forderte Straub. Diese Entwicklung sei keineswegs neu. Seit dem Jahr 2013 hätten die Kosten für Heilmittel mittlerweile um 19 und die Ausgaben für Hilfsmittel um 18 Prozent zugelegt.
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